Wer steckt eigentlich hinter CampusAsyl?
„… Menschen, die einfach helfen wollen“
Neun Uhr früh an der Uni Regensburg. Zu meinen Studienzeiten wäre mir das nicht passiert (und die freie Parkplatzwahl lässt vermuten, dass es den heutigen Studenten ähnlich ergeht), aber heute gibt es einen besonderen Anlass für meinen morgendlichen Campus-Besuch: Ich bin mit Lisa-Marie Singer verabredet. Die 26-Jährige ist Mitglied im Vorstand von CampusAsyl und setzt sich für Flüchtlinge ein. Weil CampusAsyl auch vom Krones Spenden- und Sponsoring-Programm unterstützt wird, möchte ich mehr über die Initiative erfahren. Lisa-Marie Singer beantwortet geduldig alle meine Fragen – und nimmt es mir zum Glück nicht übel, dass ich viel zu wenig über die Situation der Regensburger Asylbewerber weiß.
Frau Singer, was ist das Ziel von CampusAsyl?
Generell geht es uns um zweierlei: Erstens möchten wir Flüchtlinge und Asylbewerber in Regensburg mit Sofortmaßnahmen unterstützen, beispielsweise durch eine Kleiderkammer oder Deutschkurse. Zweitens – und das ist der für uns weitaus wichtigere Aspekt – verstehen wir uns selbst als Integrationsprojekt. Wir möchten die Menschen langfristig unterstützen, ihre Talente fördern und sie in unserer Gesellschaft ankommen lassen.
Wie erreichen Sie das?
Durch unterschiedliche Projekte, die wir betreuen. Beispielsweise ein Mentoring-Projekt, das junge Flüchtlinge mit Studenten zusammenbringt, damit sie den Sprachstatus erwerben, um hier studieren zu können. Für den interkulturellen Austausch haben wir eine Kochgruppe ins Leben gerufen. Es gibt Helfer, die sich bemühen, Flüchtlinge in WGs unterzubringen. Und dann haben wir noch verschiedene Sport- und Musikgruppen.
Wie ist das alles überhaupt ins Rollen gekommen?
Ende 2014 hat sich CampusAsyl aus zwei Säulen heraus gebildet: der Katholischen Hochschulgemeinde KHG und dem Lehrstuhl „Deutsch als Zweitsprache“. Anfangs war das alles noch ein lockerer Zusammenschluss von Menschen, die einfach helfen wollten. Zuerst in Form von Sprachkursen, die man in der Regensburger Erstaufnahme-Einrichtung für Flüchtlinge auf die Beine stellte. Dabei hat man dann schnell festgestellt: Die Leute kommen nur dann zum Kurs, wenn sie ihre Kinder währenddessen gut versorgt wissen. Deshalb wurde als nächstes eine Kinderbetreuung organsiert. Im Laufe der Zeit kamen dann immer mehr Helfer dazu, die wiederum eigene Ideen mitbrachten. So hat sich dann ein Projekt an das nächste gereiht. Damit wir effektiver arbeiten und auch Spenden annehmen können, haben wir vergangenen November schließlich den gemeinnützigen Verein CampusAsyl e. V. gegründet.
Wer entscheidet, welches Projekt umgesetzt wird und welches nicht?
Die Helfer selbst – uns war es von Anfang an wichtig, die Hierarchien bei CampusAsyl flach zu halten und eine große Flexibilität zu bieten. Wir schreiben den Leuten nicht vor, wie sie sich einbringen sollen, sondern fragen sie umgekehrt: „Was kannst du und wann hast du Zeit?“ Ehrenamt muss auch Spaß machen, sonst bleiben die Menschen nicht dabei. Wir achten lediglich darauf, dass wir effizient arbeiten und keine Parallelstrukturen aufbauen. Wenn es zu einem Thema schon ein Projekt gibt – und sei es bei einer anderen Organisation –, dann machen wir dazu kein zweites auf.
Wo können die Flüchtlinge CampusAsyl begegnen?
Direkt vor Ort. Wir sind in fast allen regionalen Einrichtungen vertreten – also sowohl in den Notunterkünften und in der Erstaufnahme als auch in manchen Gemeinschaftsunterkünften.
Worin liegt überhaupt der Unterschied zwischen den beiden?
Wenn die Menschen an der deutschen Grenze ankommen, werden sie registriert und in einem ersten Schritt zu den Erstaufnahme-Einrichtungen in den Städten und Gemeinden verteilt. Dort werden sie mit dem Nötigsten versorgt: also mit einem Bett, drei Mahlzeiten am Tag, ärztlicher Versorgung und Kleidern. Danach müssen die Flüchtlinge ihren Asylantrag stellen. Wird dieser abgelehnt, werden sie mittlerweile relativ schnell in eines der Rückführungslager gebracht. Erhalten sie eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung, ziehen sie in eine Gemeinschaftsunterkunft um. Dort wird die Situation für den Einzelnen aber nicht unbedingt besser.
Warum das?
Anders als in der Erstaufnahmeeinrichtung gibt es in den Gemeinschaftsunterkünften oft keine Vor-Ort-Betreuung mehr – die Asylbewerber müssen nun mehr oder weniger auf eigenen Füßen stehen. Je nach Einrichtung leben 20 bis 150 Personen aus unterschiedlichen Kulturen zusammen, die sich in einem fremden Land selbst versorgen und über die Runden kommen müssen. Da stoßen selbst Asylbewerber mit Deutschkenntnissen oder einem hohen Ausbildungsniveau an ihre Grenzen. Und für diejenigen, die in den Erstaufnahme-Einrichtungen abgesehen von der Notversorgung keine weitere Unterstützung erhalten haben, ist es nahezu unmöglich. Gott sei Dank gibt es aber auch hier Ehrenamtliche, die sich in Helferkreisen zusammenfinden und in der Betreuung der Asylbewerber eine wertvolle Arbeit leisten.
Das heißt, es gibt Asylbewerber, die komplett durch das soziale Raster fallen?
Ja, leider. Wir haben in den Gemeinschaftsunterkünften Menschen, die schon seit sieben Jahren hier ausharren, ohne dass in Sachen Integration irgendetwas passiert wäre. Für mich sind das die wirklich tragischen Fälle, die deutlich machen, dass unser System einfach nicht effektiv genug greift. Eine paradoxe Situation. Denn die Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften sind ja diejenigen, die den Asylbewerberstatus haben und wirklich hierbleiben dürfen. Und gerade hier passiert kaum etwas!
Ihre Arbeit klingt teilweise frustrierend. Woraus schöpfen Sie all Ihre Motivation?
Aus den Fällen, denen wir wirklich helfen können. Es gibt natürlich immer wieder frustrierende Momente, aber unterm Strich ist unsere Arbeit unglaublich bereichernd: Es ist toll zu sehen, mit welcher Energie viele der Asylbewerber hier ankommen, wie viel Lust am Lernen sie beweisen und welche Fortschritte sie machen.
Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, um die Situation zu verbessern?
Für eine funktionierende Integration braucht es ein Umdenken in vielen Bereichen, beispielsweise was den Zugang zu Hochschulstudium, Praktika oder Berufsausbildungen betrifft. Im Großen und Ganzen ist es aber schön zu sehen, was alles passiert und mit welchem Engagement die Ehrenamtlichen bei der Sache sind – nicht nur bei CampusAsyl, sondern auch in anderen Organisationen, zum Beispiel der Caritas, mit der wir eng zusammenarbeiten.
Beschränkt sich CampusAsyl auf Hochschulangehörige oder kann sich jeder engagieren?
Bei uns ist ausdrücklich jeder willkommen! Wichtig ist nur, dass man helfen möchte und Spaß an der Begegnung mit anderen Menschen hat. Informationen zu allen unseren Projekten und zu den jeweiligen Ansprechpartnern findet man auf unserer Website campus-asyl.de.
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