Vom Verlernen der Muttersprache
Neulich bei einem Interview mit unserer Kollegin Simone Roel-Backes gab es viel zu lachen. Simone ist Brasilianerin und begeistert einfach mit ihren strahlenden Augen und ihrer herzlichen und lebensfrohen Art. Seit 19 Jahren ist Simone nun schon wie sie selbst sagt „bei Krones dahoam“. Eine lange Zeitspanne, die sie bereits in Deutschland und meistens in Neutraubling verbringt. Und hier hat Simone auch viel Verantwortung. Seit 2000 betreut sie die Großprojekte für die Grupo Petrópolis, die zweitgrößte Brauerei in Brasilien. Und weil sie die Expertin dafür ist, wurde ein Interview mit ihr über das Greenfield-Projekt in Alagoinhas gemacht.
Alles verlief bestens! Vor allem die deutsche Sprachversion – einwandfrei und sehr charmant mit dem kleinen Einschub gleich am Anfang: „Ich komme aus Brasilien. Das merkt man auch an der Sprache, würde ich sagen: Ich habe einen portugiesischen Akzent, wenn ich deutsch spreche…“. Alle Projektbeteiligten waren sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Daher wurde folgendes beschlossen: Eine exklusive Version mit Simone in Portugiesisch. Gesagt und gleich getan! Gefühlt auch hier alles flott und es lief locker dahin.
Ein paar Tage später kam dann der Anruf: „Ich habe Bock geschossen! Wir müssen das Video ändern… mein brasilianischer Kollege aus der Niederlassung hat gesagt: Simone – Du sprichst Portugiesisch wie eine Deutsche!“ Was soll man darauf sagen? Erstmal: „Echt, nein, das gibt es doch nicht?!“. Wenn man dann aber in Ruhe darüber nachdenkt, wird einiges klarer.
Wir alle sind Gewohnheitstiere, passen uns der Umgebung und den Umständen an. Und da kann es schon passieren, dass sich die portugiesische Verbstellung der deutschen anpasst oder eben auch umgekehrt. Wenn man dann noch an all die Klinsmänner und Co. denkt, die aus Deutschland weg- und wo anders hin gegangen sind – astreine Muttersprache ist da auch was anderes.
Prof. Anatol Stefanowitsch lehrt an der Freien Universität Berlin, er forscht zum Thema Sprachen und betreibt den Internet-Blog „Sprachlog“. Auf die Frage: „Kann man seine Muttersprache verlernen?“, antwortet er: „Wenn der Erwerb einer Sprache unterbrochen wird (z.B. durch Auswanderung), können Kinder das bereits Erlernte wieder vergessen. Im Erwachsenenalter verlernen wir eine Sprache, die wir vollständig erworben haben, nie mehr ganz. Menschen können aber so stark aus der Übung geraten, dass sich ihre Muttersprache irgendwann eher wie eine Fremdsprache anfühlt.“
So kann das also passieren… Mittlerweile wurden die betroffenen Szenen im Video geändert. Und rückblickend hatten wir da auch wieder unseren Spaß. Wir waren uns einig, wir hätten gleich wie in der deutschen Version sagen sollen: „Ich komme aus Brasilien und lebe seit 19 Jahren in Deutschland. Das merkt man auch an der Sprache, würde ich sagen: Denn ich spreche Portugiesisch wie eine Deutsche…“.
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