Versöhnung mit der Naturwissenschaft – Forscherinnen-Camp bei Krones
Ein Lehrer hat mir einmal in der fünften Klasse geraten, meine Lebenspläne nicht zu sehr auf Mathematik aufzubauen. Schreiben, übersetzen und geografische Zusammenhänge herstellen – das waren meine Stärken. Ging es jedoch um Formeln, Graphen und Rechnungen, dann versagte ich regelmäßig.
Es ist nun vermutlich nicht so, dass tief in mir drin ein mathematisches Genie schlummert, das durch den entmutigenden Tipp meines Lehrers für immer weggesperrt wurde, aber fast. Verstanden habe ich Mathe ja immer – nur in den Klausuren verließ mich regelmäßig der Mut – beim Ausfragen sowieso. Prüfungsangst in Mathematik? Vermutlich. Durchs Abitur habe ich es dennoch geschafft – ironischerweise betreute mich genau der gleiche Lehrer in der Kollegstufe. Nur, dass er mich auf dem letzten Weg, den die Mathematik und ich gemeinsam beschritten, mehr ermutigte als demotivierte. „Das bekommen wir hin“, bestärkte mich der Lehrer regelmäßig, doch das rettete mein zerrüttetes Verhältnis zur Mathematik auch nicht mehr.
Seit meiner Schulzeit frage ich mich, was denn gewesen wäre, wenn mich in der fünften Klasse jemand an die Hand genommen hätte und mir die Welt der Mathematik etwas veranschaulicht hätte. Mir fehlte zum Beispiel immer schon die Antwort auf die simple Frage: „Und wo brauche ich das im täglichen Leben?“ Ich wusste, dass ich mit meinen Lateinvokabeln wenigstens Inschriften in Kirchen übersetzen konnte, aber was konnte ich denn mit geometrischen Berechnungen genau anfangen? Für mich war Mathematik eine viel „totere“ Sprache als Latein – und chemische Formeln waren für mich weiter weg als böhmische Dörfer. Vor allem, nachdem mir von dem Lehrer gesagt wurde, dass „das einfach nichts, aber gar nichts“ für mich sei.
Irgendwo im Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft (bbw) muss es jemandem ähnlich ergangen sein wie mir – nur so kann ich mir erklären, dass es jetzt tolle Aktionen wie das „Forscherinnen-Camp“ gibt. Jedes Jahr können sich Schülerinnen für das Camp bewerben. Werden sie angenommen, dann dürfen sie begleitet an bayerischen Unternehmen und Hochschulen forschen. Es ist eine Aktion, die Schülerinnen vermittelt „Du bist Forschung!“ und nicht ruft: „Du bist 14 und darfst nur Schüler sein!“.
Auch in diesem Jahr war die Krones AG zusammen mit der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH) dabei. Eine Woche lang gingen die jungen Forscherinnen zwischen 14 und 16 Jahren in Vorlesungen, Labore, lernten eine Programmiersprache und trafen Ingenieurinnen. Eingepackt war der Wissenserwerb in ein Programm mit Landschulheim-Atmosphäre – die Schülerinnen konnten abends gemeinsam durch die Stadt bummeln, Bowlen gehen oder einfach nur in der Jugendherberge quatschen. Ihr erklärtes Ziel war es, in der Aktionswoche einen Forschungsauftrag zu erfüllen und die Ergebnisse vor Eltern, Betreuern, Presse, Krones Vorstand Ralf Goldbrunner und OTH Präsident Dr. Wolfgang Baier zu präsentieren.
Wenn ich jetzt schreiben würde, dass das Ziel erreicht wurde, dann wäre das etwas untertrieben. Die jungen Damen präsentierten besser als manche Nachrichtensprecherin. Sie erklärten wortgewandt, wie sie es nun geschafft hatten, dass eine Flasche ohne Kontakt zum Füllventil gefüllt werden konnte. Sie erzählten von der Woche voller aufregender Erlebnisse und alle zusammen erweckten keine Sekunde den Eindruck, als wäre ihr Verhältnis zur Physik oder Mathematik auch nur einen Hauch verkrampft.
Als ich mich nach der Veranstaltung auf den Weg in die Kantine mache, melde ich meine Tochter in Gedanken schon mal zum Forscherinnen-Camp 2028 an. Nicht nur, weil ihr mit einem offenen Verhältnis zu den Naturwissenschaften alle Türen in interessante Berufe offenstehen, sondern weil es einfach schön ist, wenn sich für sie manche Türen durch Entmutigung nicht von vornherein schließen.
Kommentare
Kommentar von Eva Maria Karl | 5. November 2014
Kommentar von Torsten | 5. November 2014