Sprechende Hände – Die Geschichte von Andreas und Sven
Sie sitzen an Ihrem Schreibtisch. Stellen Sie es sich bildlich vor. Ihre Kollegin rechts neben Ihnen tippt auf ihrer Tastatur – klack, klack. Hinter Ihnen klingelt das Telefon. Sie finden diesen Klingelton schon immer schrecklich. Ein Kollege läuft an Ihnen vorbei, ein Stapel Blätter fällt runter. Hören Sie es? Stellen Sie es sich vor. Lauschen Sie. Und jetzt stellen Sie sich vor: Sie hören das alles nicht. Die Welt um Sie herum ist still – keine Tastatur, kein lautes Telefonklingeln. Für Sven Zimmerer und Andreas Peppe ist das normal. Denn sie sind gehörlos – eine Herausforderung im Arbeitsalltag.
Sven ist blond und ziemlich groß. Er lächelt schüchtern. Im September 2011 hat er mit seiner Ausbildung zum Technischen Produktdesigner bei Krones begonnen – bald ist er fertig. Seit seinem dritten Lebensjahr hat er ein Cochlea-Implantat, eine Hörprothese. Hinter seinem Ohr sieht man den externen Teil des Implantats, rund und hellbraun. Dieser sichtbare Teil regt durch einen Magneten eine implantierte Spule an. Diese wiederum stimuliert über Elektroden den Hörnerv. Deshalb kann Sven etwas hören und sprechen und kann sich mit den „Normal-Hörenden“ verständigen. Aber er spricht auch noch eine zweite Sprache: Die Gebärdensprache. Viele Jahre hat er gebraucht, um diese perfekt zu beherrschen. Denn das Lernen der Gebärdensprache ist sehr anspruchsvoll – und oft noch komplizierter als eine „normale“ Fremdsprache.
Neben Sven sitzt Andreas. Andreas trägt ein schwarzes Hemd. Auf seiner Nase sitzt eine schwarze Brille. Ein kurzer brauner Bart umrahmt seinen Mund. Seit 20 Jahren arbeitet er bei Krones. Seine Ausbildung zum Technischen Zeichner hat er in Schwandorf gemacht, dann hat es ihn nach Neutraubling verschlagen – heute ist er bei Krones für Pneumatik zuständig. Neben seiner normalen Arbeit ist er auch Gebärdensprachdozent an der VHS, OTH und Universität Regensburg. Fünfmal in der Woche gibt er Unterricht. Mit fließenden und schnellen Handbewegungen, ganz ohne einen Laut, erzählt er seine Geschichte Sven. Und dieser übersetzt: Denn seit Sven bei Krones arbeitet, ist für Andreas vieles leichter geworden. Früher hat er sich mit seinen Kollegen nur schriftlich – über Zettel und Stift, E-Mails und Chats – unterhalten können. Heute kann Sven zusätzlich für ihn übersetzen. Die Kommunikation ist schneller geworden. Eine große Erleichterung! Als sein ständiger Begleiter ist Sven bei allen wichtigen Terminen mit dabei, bei Gruppengesprächen und auch bei Besprechungen mit dem Chef – das erfordert natürlich großes Vertrauen.
Neu eingerichtet wurden jetzt Webcams an den Computern von Sven, Andreas und den anderen Gehörlosen. Die Testphase ist schon erfolgreich abgeschlossen. Ausprobiert haben sie die Kameras mit Markus Summer, der am anderen Ende der Webcam sitzt. Durch die Webcams können sich die beiden mit anderen Gehörlosen Kollegen, wie zum Beispiel Markus Summer, bei Krones unterhalten. In Neutraubling sind es sieben, in Freising und Flensburg jeweils zwei. Ein hilfreiches Instrument, wie Sven, Markus und Andreas finden. „Ich bin erleichtert, weil die Kommunikation zwischen den Gehörlosen und mir per Webcam viel verständlicher ist.“, meint Andreas. Und auch Sven ist begeistert: „Ich finde es großartig! So kann ich mit den anderen Gehörlosen, auch aus anderen Standorten, viel schneller, unkomplizierter und verständlicher kommunizieren.“ Auch Markus ist zufrieden mit den Webcams: „Durch die Webcams wird nicht nur die Verständigung zwischen den Gehörlosen einfacher, sie tragen auch dazu bei, dass wir besser mit den Hörenden kommunizieren können.“
Die Idee stammt von der Schwerbehindertenvertretung der Krones AG. Franz Beiderbeck, Schwerbehinderten-Beauftragter für das Werk Neutraubling, erklärt: „Wir versuchen unseren gehörlosen Kollegen den Arbeitsalltag bestmöglich zu erleichtern.“ Für Weiterbildungen und Betriebsversammlungen wird zum Beispiel ein Dolmetscher mit ins Boot geholt. Außerdem gibt es einmal im Jahr ein Gehörlosentreffen. Hier können sich Andreas und Sven in lockerer Atmosphäre mit den anderen über ihren Arbeitsalltag austauschen. Und so ist der Arbeitsalltag für die beiden doch nicht ganz so still, wie er auf den ersten Blick scheint.
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