Na zdrowie! Bier ist der neue Wódka
Es ist der 22. September 2013, früh morgens: Ich sitze im Flugzeug. Leise Zweifel nagen an mir. Welche Sprache sprechen die Leute um mich herum überhaupt? Es muss wohl Polnisch sein. Zumindest glaube ich das, es könnte auch Chinesisch sein – ich höre nur mir vollkommen unverständliche Laute, die zu imitieren mir unmöglich erscheint… Ich bin gerade dabei, in ein Land zu fliegen, in dem ich noch nie vorher gewesen bin, dessen Sprache ich nicht mächtig bin und in dem ich niemanden, absolut niemanden kenne – und werde dort für die nächsten sechs Monate leben und studieren.
Circa ein Jahr und fünf Monate später: Dzień dobry! Ich habe mit meiner vorübergehenden Wahlheimat Krakau eine der schönsten Städte der Welt entdeckt, habe unglaublich viele neue Erfahrungen gemacht (zum Beispiel einen polnischen Winter mit Temperaturen von minus 20 Grad überlebt), kann zumindest ein wenig Polnisch – und sitze in Neutraubling an meinem Schreibtisch möchte einen Blogartikel über Bier schreiben. Wie das zusammen passt? Ganz einfach: Es ist doch wahnsinnig interessant, welche Bräuche und Traditionen Menschen aus anderen Ländern pflegen – wozu auch die Ess- und Trinkgewohnheiten gehören.
Polnischer Bier-Boom
Wenn es um polnische Getränke geht, denken die meisten wahrscheinlich erst einmal an Wodka. Was häufig unterschlagen wird: Viele Polen trinken zwar immer noch gerne Wodka, aber auch Bier ist immer beliebter – manche sprechen gar davon, das Piwo, also Bier, verdränge das Nationalgetränk Wodka. Zwar kann das Land generell auf eine lange Brautradition zurückblicken, aber vor allem der Craft-Beer-Trend und der steigende Anklang von regionalem Bier aus kleinen Brauereien sorgen für den neuen Bier-Boom. So stellt die Stowarzyszenia Regionalnych Browarów Polskich, die Vereinigung der polnischen regionalen Brauereien, fest, dass die Zahl der Brauereien in den letzten Jahren stetig gestiegen ist.
Was sind denn nun bekannte polnische Biersorten? Derer gibt es wirklich viele. Eine der bekanntesten Sorten ist sicherlich Tyskie, gebraut von der gleichnamigen Brauerei in Tychy bei Katowice. Die Brauerei gilt übrigens als eine der ältesten in Europa. Sie gehört zur Kompania Piwowarska SA, welche wiederum in Besitz von SABMiller ist. Aber wie bereits angesprochen, gibt es daneben noch zahlreiche andere polnische Biermarken:
Da wären zum Beispiel Żywiec, Okocim, EB, Ty, Warka, Tatra, Bosman, Redd’s, Piast, Lech, Perła, Lezajsk, Hetman, Debowe, Specjal, Dojlidy, Żubr, Karmi, Lomza, Zwierzyniec, Brackie… Ich beende die Aufzählung hier, aber Eines sollte klar geworden sein: Die Auswahl ist riesig! Von „großen“ Biersorten, die man eventuell schon aus Deutschland kennt, über regionale (Craft-) Biere – Bierliebhaber finden hier bestimmt etwas. Welches Bier denn nun am besten schmeckt, darüber lässt sich bekanntlich streiten. So natürlich auch, wenn es um polnisches Bier geht. Tatsache ist aber, dass die Biere kleinerer, regionaler Brauereien etwa gegenüber der großen Kompania Piwowarska zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Typisch polnisch
Und Eines ist in Polen generell beliebt: Vor allem Frauen bestellen sich häufig „piwo z sokiem malinowym“ – also Bier mit einem Spritzer Himbeersirup. Das Sirup-Bier, das oft mit Strohhalm getrunken wird, bekommt man frisch gemischt in jeder Bar. Als fertiges Biermischgetränk ist es in geschmacklich ähnlicher Variante zum Beispiel auch als „Redd’s Red“ erhältlich.
Eine weitere polnische Bier-Spezialität ist das „grzane piwo“. Das ist für Deutsche ein echter Zungenbrecher, da es leicht zu „czarne piwo“ werden kann – was schwarzes Bier heißen würde. „Grzane piwo“ bedeutet allerdings heißes Bier. Das Glühbier wird meist mit Honig und Gewürzen wie Ingwer, Zimt und Nelken verfeinert. Für alle, die gerade die Nase rümpfen – bei minus 20 Grad ist es immerhin einen Versuch wert, sich an einem „grzane piwo“ zu wärmen, das zum Beispiel auf den Weihnachtsmärkten verkauft wird. Außerdem populär ist in Polen das Piwo „mocne“, also Starkbier. Würzige Starkbiere gibt es zum Beispiel von Tatra, Okocim, Debowe oder Dojlidy.
Übrigens: Auch wenn das Trinken von Alkohol in Polen in der Öffentlichkeit untersagt ist, findet man in Krakau genügend schöne Lokalitäten, um ein Bier seiner Wahl zu genießen. Wer es eleganter mag, sucht am besten rund um den Hauptplatz Rynek Główny – und wer kleine, heimelige Bars vorzieht, der wird im jüdischen Viertel Kazimierz sicher nicht enttäuscht.
Und auch Köstlichkeiten, die zum Bier dazu gegessen werden können, findet man in Krakau allemal: In den zahlreichen gemütlichen Kawiarnie und Bäckereien gibt es süße Leckerbissen, in Kazimierz leckere Zapiekanki und in den preisgünstigen Milchbars („Bar mleczny“ genannt) deftige Gerichte wie Bigos oder Pieroggi. Wer jetzt Durst und Appetit bekommen hat – nichts wie hin nach Krakau!
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