„Immer am Boden bleiben“ – Teil 3
Interview mit Volker Kronseder
Fortsetzung der Teile 1 und 2 des Gesprächs.
Was ist für Sie so spannend an den technischen Entwicklungen in dieser Branche?
Dass es immer wieder neue Ideen gibt – nicht nur von uns, sondern auch von anderen Komponentenherstellern. Nehmen wir mal das Thema Digitalisierung und die damit ermöglichte Automatisierung. Sie machen den Getränkeherstellern das Leben leichter, ihre Produktion sicherer, die Qualität besser. Das sind Innovationen, die in den Maschinenbau einfließen. Und diese machen das Ganze interessant. Ich sage immer: Das Bessere ist des Guten Feind. Und besser heißt qualitativer, ressourcenschonender und kostensparender. Dabei ist aber auch klar: Das Bessere zu jedem Preis, das geht nicht.
Welche technischen Innovationen haben Sie persönlich besonders begeistert?
Im Maschinenbau hat die Laser-Schneidtechnik die Art des Maschinenbaus stark verändert. Gerade für Spezialmaschinenbauer wie Krones kann man mit solchen Maschinen ab Losgröße eins wirtschaftlich arbeiten. Früher musste man das alles mit Gussformen bauen, da war eine gewisse Mindestlosgröße unabdingbar. Und natürlich führen die Digitalisierung, die automatische Steuerung der Maschinen und die Präzision, die damit herstellbar ist, zu kostengünstigeren Produktionen. Und auch zu ergonomischeren Arbeitsplätzen, meine ich, indem ein Mitarbeiter mehr eine überwachende Funktion ausübt, als dass er manuell menschliche Kraft einsetzen muss.
Krones selbst hat natürlich eine Vielzahl an Innovationen. Krones besitzt über 3.700 Patente, hinter denen immer Ideen stecken. Ich meine damit speziell die Etikettiertechnik. Denken Sie mal zurück an die Zeit, als man nur Glasflaschen und Papieretiketten hatte, bevor mein Vater mit seinen Entwicklungen Furore machte. Die sensibelsten Flaschen in einer Abfüllanlage, nasse Flaschen, nasser Leim, unterschiedliche Außentemperaturen, die Etiketten rollten sich – die Abfüllung war ein Risikospiel. Und das hat sich durch die Vielzahl an Entwicklungen sehr stark geändert, die Etikettiermaschine ist zur sichersten Maschine in der Abfüllanlage geworden. Das war der Grundstein. Danach hat man uns zugetraut, auch andere Maschinen zuverlässig bauen zu können, nach dem Motto: „Krones hat die Etikettiermaschine hingekriegt, das bisschen Füller schaffen sie allemal.“ Technische Innovation ist nach wie vor ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor für uns.
Wie können sich technische Innovationen volkswirtschaftlich betrachtet durch beispielsweise niedrigere Energie- und Wasserverbräuche auswirken? Welchen Stellenwert hat nachhaltiges Denken in der Forschung und Entwicklung in Bezug auf die ökologischen Bedürfnisse der Welt?
Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit in Bezug auf Nachhaltigkeit, auch die Kostenbelastung und die Einsicht, dass man mit Ressourcen auf der Erde schonend umgehen muss – all das führte dazu, dass bei uns sehr früh ein Nachhaltigkeitsbewusstsein entstand. Allein die Entwicklung unseres enviro Konzepts, hinter dem ja ein komplettes Management-System steht und mit dem wir in der Branche eine Vorreiterrolle spielen, zeigt, dass wir diese Themen sehr ernst nehmen. Damit können wir und kann auch die Getränkeindustrie einen Beitrag zu dieser großen Herausforderung der Ressourcenschonung leisten.
Wie hat sich die Branche in den vergangenen zwei Jahrzehnten aus Ihrer Sicht verändert?
Wenn das Pendel zu sehr in eine Richtung schlägt, bleibt es nicht stehen, es pendelt vielmehr zurück. Wir sehen jetzt beispielsweise in der Brauindustrie eine beginnende Rückwärtsbewegung des Pendels.
Natürlich muss man sich dies je nach Regionen anschauen. In Afrika, Asien und Südamerika zum Beispiel werden die Menschen insgesamt wohlhabender und können sich Genussmittel, zum Beispiel ein Bier, eher leisten. Das führt dazu, dass neue Brauereien gebaut werden, das sind die Wachstumstreiber. Wenn ich mir USA und Europa anschaue, ist ein anderer Trend zu sehen: Diese junge, aufstrebende Craft-Brewer-Szene, die einen Kontrapunkt setzt zu der zum Ende kommenden Konzentrationswelle. Da kommen jetzt diese kleinen frechen Brauer und lassen sich nicht schrecken. Sie finden Investoren und Verbraucher, die begeistert sind, und so gibt es wieder eine Vielzahl von Neugründungen. Natürlich ist nicht jeder gleich ein Neukunde für uns, aber wir haben unser Portfolio auch entsprechend erweitert und bieten nun Maschinen für den niedrigeren Leistungsbereich an. Jeder Trend erzeugt also sozusagen einen Gegentrend und damit bleibt das Ganze spannend.
Haben sich durch die Internationalisierung auch die persönlichen Beziehungen verändert?
Ich denke schon. Ein Automobilhersteller kennt nicht jeden „seiner“ Autofahrer. Dadurch, dass wir aber im Business-to-business-Bereich tätig sind, kennen wir im Prinzip jeden unserer Kunden, „jeden“ Maschinenbetreiber – und jeder kennt uns. Ich selbst kenne viele, aber wenn ich jeden kennen würde, dann wäre unser Geschäft natürlich begrenzt. Deshalb ist es wichtig, dass unsere Vertriebsmitarbeiter einen engen persönlichen Kontakt pflegen. Ich habe den Eindruck, dass wir als sympathisch, kompetent und zuverlässig empfunden werden. Mit vielen Kunden haben sich sogar enge Freundschaften entwickelt.
Ganz besonders viele Kunden kennen Sie in China, das ist ja sozusagen Ihr Steckenpferd.
Ja, ich liebe China und ich liebe die Chinesen. Mir gefällt die Art und Weise, wie sie miteinander umgehen, die uralte konfuzianisch-laotse geprägte Kultur ist heute immer noch zu spüren. Der tolle Humor und die Disziplin dieses Volks imponieren mir sehr. Die Menschen dort haben in den vergangenen 30 Jahren eine gigantische Aufbauleistung ihres Landes vollzogen, die einmalig in der Menschheitsgeschichte ist. Wenn etwas angepackt wird, dann fasziniert mich das immer.
Die „Krise“, in der China aktuell steckt, ist das wirklich eine Krise?
Ehrlich gesagt glaube ich, dass es keine Krise ist. Es war sichtbar, dass China nicht weiter mit diesen exorbitanten Wachstumsraten wachsen kann. China hat 600 Millionen Menschen aus der Armut herausgeholt, die jetzt marktfähige Konsumenten werden können. Deswegen steigen ja auch die Absatzzahlen in China. Nochmal das gleiche Wachstum draufzusetzen, das ist ein Ding der Unmöglichkeit, das würde eine Exponential-Funktion bedeuten. Dass dieses Wachstum sich verlangsamt und dass es auch in gewissen Wellenbewegungen auf und ab geht, war immer schon erkennbar. Ich sehe, dass die Chinesen rechtzeitig und richtig reagieren, deshalb glaube ich, dass das keine echte Krise ist. Wichtig ist, dass der chinesische Markt weiter vernünftig wachsen kann, dann profitieren China und die ganze Welt davon.
Lassen Sie uns zum Schluss noch kurz in die Zukunft blicken. Christoph Klenk, Ihr Nachfolger als Vorstandsvorsitzender, ist ein typisches Krones „Eigengewächs“. War das Voraussetzung für diesen so wichtigen Posten?
Ich denke schon. Es war eines meiner frühzeitigen Ziele, eine Organisation, ein Team aufzubauen, bei dem im Prinzip jeder jeden ersetzen kann. Es muss eine Führungsorganisation existieren, die sich permanent selbst erneuern kann, es darf nicht nur an einer Person hängen. Ich glaube, ein Unternehmen ist dann langfristig und nachhaltig erfolgreich, wenn es ihm gelingt, seine Führungspersonen nicht alle auf einmal, sondern turnusmäßig auszutauschen. Jetzt gehe ja nur ich, nicht alle meine Vorstandskollegen. Mit Christoph Klenk haben wir jemanden, der das Unternehmen schon seit über 20 Jahren kennt und seine Fähigkeiten in unterschiedlichen Funktionen eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat.
Herr Klenk kennt ja die Firmenphilosophie in- und auswendig und hat sie zum Teil auch selbst mitgeprägt. Dürfen alle Beteiligten, die Mitarbeiter und die Kunden ebenso wie die Aktionäre, weiterhin davon ausgehen, auf eine solide, aber auch innovationsreiche Krones Unternehmenspolitik vertrauen zu können? Wie wird Krones ohne Volker Kronseder als Vorstandsvorsitzender aussehen?
Ich sage nur: Die Erfolgsstory geht weiter.
Was werden Sie nach der Übergabe des Vorstandsvorsitzes hauptsächlich unternehmen?
Nach wie vor werde ich noch öfter hier sein, denn die Technik interessiert mich natürlich immer noch sehr. Dabei werde ich mich aber operativ nicht mehr einmischen und so das Ganze wahrscheinlich aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachten können. Außerdem habe ich nicht mehr diesen täglichen Termindruck. Darauf freue ich mich schon sehr, das können Sie sich bestimmt gut vorstellen.
Ich kann auch den Teil der Verantwortung, der mich als Vorstandsvorsitzenden betraf, abgeben. Verantwortung im Unternehmen möchte ich aber weiterhin übernehmen, dann jedoch als Mitglied des Aufsichtsrats. Das ist eine andere Rolle, in die ich mich erst einmal einarbeiten muss – denn ich habe mir natürlich fest vorgenommen, diese neue Aufgabe ebenfalls gut auszuführen.
Und privat?
Viele fangen ja nach einer solchen Zäsur mit Weltreisen an. Ich bin froh, wenn ich kein Flugzeug mehr von innen sehe. Ich bin mein ganzes Berufsleben lang die ganze Welt auf und ab gekugelt und ehrlich gesagt werde ich deshalb keine Weltreise machen. Das einzige, was ich machen möchte, ist noch mal mit dem Motorrad nach China zu fahren, weil ich einfach gerne mit dem Motorrad unterwegs bin. Der Weg ist für mich dabei das Ziel.
Herr Kronseder, dabei wünschen wir Ihnen ganz viel Spaß.
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