Grünes Gold – Seele des Bieres, Teil 2: Craft Brewing – Des Hopfens große Chance?
Die Craft-Brewing-Bewegung hält, wenn auch langsam, Einzug in Deutschland. Innovative Biersorten, steigendes Interesse an handwerklich gebrauten Bieren, neue Hopfenarten – wie wirkt sich der Trend eigentlich auf den Hopfenanbau aus? Diese Fragen habe ich Dr. Christoph Pinzl gestellt. Er ist nicht nur Biersommelier, sondern auch Leiter des Deutschen Hopfenmuseums in der Hallertau, dem weltweit größten Hopfenanbaugebiet. Persönlich findet der Hopfenexperte Craft Brewing schon einmal „extrem spannend“: „Es gibt nicht mehr immer das gleiche, ich bin fast versucht zu sagen, langweilige Bier. Es gibt eine neue Vielfalt, optisch und vom Aroma her.“
„IPAs sind ein alter Hut!“ – Craft Brewing als Weg zurück
Dabei sind manche Craft-Biere gar nicht so innovativ und neu, wie es auf den ersten Blick scheint. „IPAs sind eigentlich ein alter Hut. Sie sind älter als das Bayerische Helle!“, schmunzelt Biersommelier Dr. Pinzl. Die Craft-Beer-Bewegung kann man also quasi als „Weg zurück“ verstehen – zurück zum alten Handwerk. Das hängt, so der Museumsleiter, sicher auch mit dem Wunsch zusammen, wissen zu wollen, woher das Bier, das man gerade trinkt, eigentlich kommt. Der Brauer als „Verantwortlicher“ für sein gebrautes Bier hat also wieder eine Schlüsselrolle inne. Und Craft Beer hat nicht unbedingt etwas mit „Gourmet und Drei-Sterne-Restaurants“ zu tun, meint Dr. Pinzl.
Steigender Hopfenbedarf für hopfengestopfte Biere
Welche Konsequenzen hat Craft Brewing aber nun genau für den Hopfenanbau? „Rein ökonomisch gesehen ist Craft Brewing natürlich eine extreme Chance für den Hopfen. Denn jetzt steht die Menge von Hopfen, und nicht mehr die Menge von Bitterstoffen im Vordergrund,“ meint der Hopfenexperte.
Es werden nicht nur mehr verschiedene Hopfenarten gezüchtet, sondern auch der Bedarf an Hopfen generell steigt – etwa für hopfengestopfte Biere. Falls der Hopfenkonsum weiterhin zunehme, könne dies aber auch durchaus zum Problem werden, befürchtet Dr. Pinzl: „2014 hat der Marktanteil von Craft Beer in den USA „nur“ etwa acht Prozent ausgemacht – trotzdem haben die Craft Brewer rund 50 Prozent des gesamten Hopfens der USA verbraucht“. Und der Marktanteil von Craft Beer nimmt in den USA stetig weiter zu, wie sich aus den Zahlen der Brewers Association schließen lässt. Der Haken an der Sache: Hopfen braucht natürlich seine Zeit, um (nach-)zuwachsen. „Oft dauert dies zwei bis drei Jahre!“, erklärt mir der Experte.
Fast vergessene Hopfensorten und die Feinheiten des Bierbrauens
Aber nicht nur das Wachsen, auch das Züchten neuer Hopfenarten dauert. Das Züchten und Einholen von Genehmigungen konnte früher gut und gerne 15 Jahre in Anspruch nehmen, erzählt Dr. Pinzl. „Das ist für das Craft Brewing natürlich nicht haltbar. Deswegen ist es in der Vergangenheit zu Umstellungen gekommen – was auch in Zukunft so sein wird. Andererseits brauchen die Hopfenpflanzer aber auch Sicherheiten beim Anbau. Eine gewisse Nachhaltigkeit ist bei den Sorten deshalb sehr wichtig.“
Ich möchte wissen, welche von den zahlreichen verschiedenen Hopfensorten seine Lieblingssorte ist. Er lacht. „Eine Lieblingssorte gibt es nicht. Ich habe auch kein Lieblingsbier. Die Vielfalt ist das Schöne. Ich entscheide immer nach Bauchgefühl und jahreszeitenabhängig. Ich bin sehr neugierig. Aber mit dem Brauen ist es wie mit dem Kochen: Die Feinheiten, die Harmonie des Ganzen ist wichtig.“ Als jemand, der sich mit der Geschichte des Hopfens beschäftigt, interessieren ihn aber auch alte, schon fast vergessene Hopfenarten. Wie zum Beispiel der Rottenburger Hopfen, der schon fast verschwunden war – und dessen Anbau nun wieder kultiviert wird. Der Biersommelier schwärmt: „Es wäre spannend, wenn mehr alte Hopfensorten wiederbelebt werden könnten! Oder wenn mehr alte Rezepturen wieder ausgegraben werden würden – wie es schon beim IPA oder Porter der Fall war.“
Ob es denn umgekehrt eine Hopfenart gibt, mit der er wenig anfangen kann, frage ich Dr. Pinzl. „Ich weiß nicht, ob die „Alpha-Sucht“, also das Bestreben, immer noch bitterstoffreichere Sorten zu züchten, wirklich auf Dauer dienlich ist. Obwohl das für den Hopfenmarkt und somit für den Hopfenpflanzer natürlich zuerst eine gute Sache ist! Letztlich geht es beim Bier um’s Gefühl. Es muss in sich stimmig sein,“ antwortet er.
Auf in’s Hopfenparadies
Meine letzte Frage ist es, ob sich das steigende Interesse an Hopfen auch in den Besucherzahlen des Hopfenmuseums widerspiegelt. „Nicht unbedingt. Craft Brewing ist nur in einer bestimmten Szene ein Thema. In Deutschland können viele noch überhaupt nichts damit anfangen“, erzählt der Museumsleiter. Aber vielleicht können die Deutschen ja von den Craft-Beer-Liebhabern lernen, die, wie im letzten Blogartikel beschrieben, demnächst vom Ausland in die Hallertau gelockt werden sollen…. Und ob Craft-Beer-Liebhaber oder zufriedener Genießer eines Feierabendweizens „ohne Schnickschnack“: Es wäre doch schön, wenn die Menschen durch die Hopfenreihen in der Hallertau spazieren würden, um nicht nur die Herkunft ihres (Craft) Beers zu kennen, sondern auch der wunderbaren Zutat nachzuspüren, die dieses Bier ausmacht: Hopfen.
(Foto: Deutsches Hopfenmuseum Wolnzach)
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