Generative Fertigung oder: was Geeks und Bierdosen verbindet

In meinem Freundeskreis ist die Geek-Dichte relativ hoch. Wie sich das äußert? Beispielsweise wenn ich „mal kurz“ meine Handy-Nachrichten checken will und feststelle: Anlässlich der Diskussion um die Wiedereröffnung der bayerischen Schulen rechnen meine Freunde schon seit einer Stunde munter vor sich hin, wie groß ein Klassenzimmer sein muss, um zwanzig Schüler mit einem Abstand von je zwei Metern zueinander unterzubringen. Da werden dann unter anderem punktförmige Kinder im Vakuum und hexagonale Gitter zur besten Flächenausnutzung herangezogen. Alles klar. Die beste Antwort kam übrigens von meinem Kollegen Kai: ein Quadratmeter reicht – wenn man Erstklässler mit einem Abstand von je zwei Metern übereinanderstapelt. Künstliche Intelligenz oder Geek? Der Übergang ist fließend.

Was Geek-Herzen nach meiner Beobachtung auch regelmäßig höherschlagen lässt, ist die generative Fertigung oder wie das Verfahren in der Alltagssprache genannt wird: 3D-Druck. Kein Wunder, lassen sich damit doch viele der kreativen Ideen, die das Geek-Gehirn unaufhörlich produziert, direkt in die Realität umsetzen. Detailverliebte Brettspielfiguren oder selbstentwickelte Komponenten fürs Mountainbike – die Möglichkeiten sind immens.

Weil das auch und gerade für industrielle Einsatzzwecke gilt, betreibt Krones in Neutraubling ein eigenes Technologie-Center für additive Fertigung. Thekla Herrmann aus dem Bereich Central Research and Development ist überzeugt: „Generative Teile- und Komponentenfertigung bietet für den Maschinenbau viele Chancen und Möglichkeiten. Denn mit dem 3D-Druck lassen sich auch kleinste Stückzahlen, beispielsweise beim Anfertigen von Prototypen, kosteneffizient realisieren.“

Der Grund: Für klassische Fertigungsverfahren braucht es Werkzeuge oder Formen, die speziell an die zu produzierenden Teile angepasst sind. Beim 3D-Druck dagegen wird ein in CAD erstelltes 3D-Modell in zweidimensionale Schichten umgewandelt, die dann beim Drucken nacheinander aufgetragen werden. Das Werkzeug ist hier allein der Drucker. Und mit diesem lassen sich die unterschiedlichsten Objekte produzieren.

Aus diesem Grund eignet sich der 3D-Druck insbesondere für die Fertigung von Einzelstücken oder Kleinstserien. Etwa wenn Prototypen gebraucht werden oder Ersatzteile für ältere Maschinengenerationen. Auch Bauteile mit komplexen Geometrien lassen sich damit vergleichsweise einfach fertigen. Ein Beispiel dafür ist aktuell auf dem virtuellen Krones Stand zur interpack 2020 zu sehen: ein Dosenwender aus dem 3D-Drucker.

„Dosenwender“, das klingt auch schon wieder nach einem typischen Geek-Produkt. Doch der Eindruck täuscht: Ein Dosenwender hat einen ganz handfesten Job zu erledigen, beispielsweise in einer Brauerei. Dort dreht er Bierdosen, nachdem sie befüllt und verschlossen wurden, vertikal um 180 Grad, damit sie im Anschluss auf dem Kopf stehend pasteurisiert werden können.

Bei der Entstehung des neuen Dosenwenders gab es im Technologie-Center einige Hürden zu meistern, wie Andreas Neuber, Technologieexperte für additive Fertigung, erklärt: „Das Entwicklungsteam musste eine Vielzahl an Punkten analysieren, beispielsweise die Kinematik, also den optimalen Bewegungsablauf der Dosen beim Wenden. Hinzu kamen auch die tribologischen Eigenschaften, sprich das Reibungsverhalten zwischen den Dosen und dem Material.“

Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, unternahm das Entwicklungsteam mehrere Anläufe. Aber auch das ist ein Vorteil der generativen Fertigung: Der Weg von der Konstruktion zur Umsetzung ist nicht weit. Die Entwickler können daher schnell erkennen, an welchen Stellen noch Anpassungsbedarf herrscht, und sofort darauf reagieren.

Auch lässt sich der 3D-gedruckte Dosenwender in deutlich kürzerer Zeit beschaffen als seine traditionell hergestellten Kollegen. Dazu kommt, dass herkömmliche Dosenwender aufgrund ihrer komplexen Geometrie manuell bearbeitet werden müssen, was wiederum Abweichungen in der Formgebung zur Folge haben kann. Mit dem 3D-Druck lässt sich die ideale Dosenführung beliebig oft reproduzieren und darüber hinaus schnell und unkompliziert an neue Behälterformate anpassen. Vielversprechende Aussichten für den Dosenwender. Wie er sich in der Praxis schlägt, zeigt sich nun unter realen Produktionsbedingungen bei einem Krones Kunden, erklärt Thekla Herrmann: „Jetzt wird der Dosenwender im Feldtest einer genauen Überprüfung unterzogen. In den nächsten Monaten werden wir sehen, wie er sich dort bewährt.“