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Von Hygge und Pura Vida

Eileen und Rhaiza sind ein gutes Beispiel dafür, wie aus Freundschaft mehr werden kann. Klingt wie der platte Anfang einer Romanze? Keine Angst, es folgt keine einfache Liebesgeschichte. Sondern die Geschichte von zwei besten Freundinnen, die zu Geschäftspartnerinnen wurden. Und damit nicht genug: Sie sind außerdem die ersten und aktuell auch einzigen Frauen, die in ihrer Heimat Puerto Rico eine (Craft) Brauerei gegründet haben. Wie sie auf die Idee kamen, was Hygge und Pura Vida damit genau zu tun haben und wie es ist, auf Puerto Rico eine Brauerei zu gründen – darüber durfte ich mich mit ihnen unterhalten und möchte euch an dieser spannenden Geschichte natürlich teilhaben lassen.

Begonnen hat alles im Jahr 2009, als sich die beiden BWL-Studentinnen kennenlernten. „Wir haben uns sofort gut verstanden und waren ab dann unzertrennlich“, erzählt Eileen, die zu dieser Zeit noch keine Biertrinkerin war – dazu machte sie ihre beste Freundin erst drei Jahre später. Rhaiza probierte sich bereits fleißig durch die puerto-ricanische Craft-Beer-Welt, die damals gerade in den Startlöchern stand: „In Puerto Rico sind wir genau mit einem Bier aufgewachsen – Medalla. Es ist das nationale Bier Puerto Ricos, auf der gesamten Insel haben Leute immer nur das getrunken. Vor zehn Jahren circa kam dann die Craft Beer Szene, beeinflusst durch die USA, nach Puerto Rico und ist seitdem im Wachstum. Es gibt mittlerweile auch ein paar Bars, die auf internationale und lokale Craft Biere spezialisiert sind.“ Und weil Rhaiza schon so früh von diesen neuen Bieren begeistert war und eine Möglichkeit gesehen hat, in dieser aufsteigenden Branche ein Business mit ihrer besten Freundin zu gründen, überredete sie Eileen dazu, auch einmal (Craft) Bier zu probieren.

Verstärkt wurde der in beiden Studentinnen schlummernde Unternehmergeist durch einen Kurs an der Universität. „Unser Dozent hat uns immer sehr dazu ermutigt, auch eine Unternehmensgründung, nicht nur ein Arbeitnehmerverhältnis als Zukunftsplan in Erwägung zu ziehen.“ Nach ihrem Abschluss entschied sich Rhaiza trotzdem erst für eine Anstellung als Beraterin, Eileen arbeitete zunächst als Finanzbuchhalterin. Die Idee zur Gründung eines Unternehmens in der Craft-Beer-Szene verfolgten sie aber weiterhin und so meldeten sie sich bei einem Braukurs an. „Wir waren die jüngsten Teilnehmer und die einzigen Frauen im Kurs, aber wir waren sehr motiviert zu lernen, wie man sein eigenes Bier braut.“ Von da an trafen sie sich ein Jahr lang jedes Wochenende zum Brauen und entschieden 2014, aus ihren Ideen Ernst zu machen – und geboren war die Pura Vida Brewery.

Hürden auf der Zielstrecke

Bis zum Verkauf ihres ersten eigenen Bieres stand aber doch noch ein langer Weg mit einigen Hindernissen und Herausforderungen bevor. Während die BWL-Absolventinnen keine Probleme mit dem Erstellen des Businessplans hatten, mussten sie zunächst ihr Wissen über das Brauereiwesen vertiefen. „Wir kannten niemanden in der Szene und mussten uns alles komplett selbst beibringen – anders als die meisten anderen Brauer hatten wir auch keinen biochemischen oder ingenieurstechnischen Hintergrund. Also eigneten wir uns all unser Wissen in unserer Freizeit neben unserem Vollzeitjob, am Feierabend oder am Wochenende, an.“ Dazu kamen noch bürokratische Hürden, von denen es in Puerto Rico laut den Unternehmerinnen mehr als genug gibt. Drei Jahre später war es dann soweit: Die Pura Vida Brewery war bereit für das Launch-Event. Also wäre sie gewesen. Diesmal kam allerdings eine sehr unerwartete Hürde namens Hurricane Maria dazwischen, der im September 2017 die gesamte Insel lahmlegte.

Das Launch-Event wurde also verschoben und fand letztendlich im Februar 2018 statt, dafür aber mit einem unerwartet großen Erfolg. Eileen und Rhaiza brachten zwei Fässer mit circa 38 Litern Füllvolumen ihres Hyggelig Amber Ales mit – und innerhalb von 25 Minuten war alles weg. „Es war ein Wunder, das wir im Leben nicht erwartet hätten. Um ehrlich zu sein, haben wir vorher gezweifelt, weil diese Industrie in Puerto Rico hauptsächlich von Männern dominiert ist. Die elf Brauereien, die es in Puerto Rico gibt, sind alle von Männern geführt. Also dachten wir uns, wir sind junge Frauen, was werden die Leute von uns denken? Und was werden sie vom Bier halten? Generell gibt es in Puerto Rico auch noch das Bild, dass Frauen eher Wein als Bier trinken. Wir waren also unsicher, ob die Leute unser Produkt akzeptieren und mögen. Aber am Ende hat alles super geklappt!“.

Pures Leben genießen

Ihr Hyggelig Amber Ale, das sogenannte „icon beer“ der Pura Vida Brewery, ist ein American Amber mit einem Zusatz von regionalem Honig, der daraus eine bittersüße Bier-Kreation zaubert. Der außergewöhnliche Name für das Bier ist kein Zufall, damit wollen Eileen und Rhaiza eine Botschaft vermitteln: „Hygge ist, aus den simpelsten Dingen im Leben eine gemütliche Atmosphäre mit den Leuten, die man am meisten liebt, zu gestalten. Und genau das sollen die Leute mit unserem Bier erleben. Ein Amber Ale ist ein Bier, das man zu jeder Tageszeit und in jedem Moment genießen kann – so kann man jeden Moment zu einem hyggeligen machen.“ Eine ähnliche Botschaft spiegelt sich auch im Namen der Brauerei wider: Inspiriert von einem Instagram-Post, der Rhaiza in einer schwierigen Phase ihres Lebens sofort angesprochen hat, entschieden sich die Powerfrauen für ‚Pura Vida Brewery‘. „Es ist einfach magisch, Pura Vida ist pures Leben, das Gute im Leben. Wir wollen mit unserer Brauerei dazu aufrufen, das Leben zu genießen“.

Wie es nach dem erfolgreichen Launch-Event nun weiterging? Rhaiza und Eileen steckten weiterhin viel Arbeit in ihr Unternehmen. Sie renovierten zum einen die Brauerei und schafften sich dafür eine Mikrobrauerei-Ausrüstung an. „Anfang 2019 haben wir mit den Renovierungen begonnen, die ein paar Monate andauern sollten – da es aber wiederum einige bürokratische Hindernisse gab, haben wir im Endeffekt ein ganzes Jahr lang renoviert.“ Neben ihrem Hyggelig Amber Ale entwickelten sie außerdem noch weitere Biere, die sie eigentlich im Frühjahr 2020 vorstellen wollten – dazwischen kam diesmal wieder eine unerwartete Hürde: die Corona-Pandemie.

Bei so viel Mut, Durchhaltevermögen, Kreativität und Leidenschaft bin ich mir bei diesen Craft-Brauerinnen aber sicher, dass es nach der Krise weiter bergauf geht. Zu viel von ihren Plänen wollten die beiden mir noch nicht verraten, die Neuigkeiten wird man aber sicherlich auf Instagram und Facebook oder – ein bisschen Träumen ist ja erlaubt – bei einer Reise auf die karibische Insel mitbekommen. Ich war auf jeden Fall begeistert von so viel junger Frauenpower, und wer weiß, vielleicht gelten Rhaiza und Eileen mit ihrer spannenden Geschichte auch bald als Vorbild für weitere Craft-Brauerinnen mit Gründergeist. „Wir hoffen es auf jeden Fall!“, erzählten mir die Freundinnen zum Schluss.

Fotos: Pura Vida Brewery; Wilhelma Ortiz

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