Unabhängig und gemeinsam stark
Ja, ich trinke gerne Craft Beer. Aber nein, das bedeutet nicht zwingend, dass ich will, dass mein Bier mehrheitlich aus Hopfen und Fruchtpüree besteht. So oder ähnlich laufen manchmal Gespräche zwischen mir und den „traditionellen“ Biertrinkern in meinem Freundeskreis ab. Und früher oder später kommen wir dann zur gleichen Überlegung – quasi die Gretchenfrage der Craft-Beer-Branche: Wann ist ein Bier ein „Craft Beer“? Und wer entscheidet das?
Eine Organisation, die bei dieser Frage, zumindest für den US-amerikanischen Markt, mitreden darf, ist die Brewers Association (BA). Und weil die Größenunterschiede zwischen verschiedenen US-Brauereien so unglaublich groß sind, spielt für die BA nicht nur der Aspekt „Craft“ eine Rolle, sondern auch die Unabhängigkeit derer Brauer, die eben nicht zu einem großen Getränkekonzern gehören, sondern – pathetisch gesagt – den Spirit der Craft-Beer-Bewegung tragen. Dementsprechend umfassen die Kriterien der Brewers Association für unabhängige Craft Brewer auf dem US-amerikanischen Markt
a) Größe bzw. Ausstoßmenge der Brauerei – die muss unter 6 Mio. Barrels (d.h. unter ca. 7 Mio. Hektoliter) im Jahr liegen,
b) Unabhängigkeit: nur weniger als 25 Prozent der Brauerei dürfen im Besitz bzw. unter der Kontrolle eines Unternehmens sein, das nicht selbst eine Craft Brewery ist.
Außerdem muss es sich
c) um eine Brauerei handeln, die entsprechend gewerblich angemeldet ist und Bier herstellt.
Punkt c) ist relativ einleuchtend. Bei a) und vor allem bei b) wird es – vor allem für den Verbraucher – aber schon schwieriger. Nachdem in den vergangenen Jahren nicht wenige der anfangs unabhängigen US Craft Breweries von größeren Unternehmen der Getränkeindustrie aufgekauft wurden, ist es nämlich gar nicht mehr so leicht auf dem Laufenden zu bleiben, welche Brauer denn aktuell noch wirklich unabhängig sind.
Schon seit einiger Zeit will die Brewers Association genau dabei unterstützen – mit dem Siegel „Independent Craft“. Auf der Website der Brewers Association können sich Brauer, aber auch deren Lieferanten, für das Siegel bewerben, mit dem sie sich dann als unabhängige Craft Brewer kenntlich machen können. So wird es für den Biertrinker leichter zu erkennen, welche Biere wirklich noch aus kleinen, innovativen, risikobereiten Brauereien kommen.
Und auf der Website gibt es noch eine weitere Funktion, die ich als Konsument ziemlich praktisch finde (und mit der ich eventuell auch schon recht viel Zeit verbracht habe): Die Suchmaske „Is it a craft brewery?“, die ganz kurz und knapp Auskunft darüber gibt, dass z.B. die Tivoli Brewing Company die Kriterien des Independent Craft Labels erfüllt.
Inzwischen tragen übrigens schon über 4.400 Brauereien das Siegel. Laut Brewers Association sind das über 85% aller potenziellen Kandidaten für die Auszeichnung – das spricht für die Relevanz des Siegels und zeigt gleichzeitig den Community-Gedanken dahinter: Die „kleinen“ in der US-Bierindustrie schließen sich zusammen, um ihre Unabhängigkeit, ihr Handwerk und ihre Kreativität auszuleben und zu sichern.
Und in Deutschland? Da ist zumindest mir keine entsprechende Initiative bekannt – was sicherlich auch an der völlig anderen Struktur der Bierbranche liegt. Und deswegen werde ich auch weiterhin mit meinen Freunden diskutieren, ob die familiengeführte Brauerei aus dem Nachbarort eine „Craft Brewery“ ist, auch wenn sie in den letzten 70 Jahren noch nie etwas anderes als ein Helles gebraut hat.
Aber ich bin gespannt auf eure Meinung: Wünscht ihr euch ein ähnliches Konzept auch für den deutschen Markt? Was wären eurer Meinung nach dann entscheidende Kriterien?
Bildquelle: https://www.brewersassociation.org/independent-craft-brewer-seal/