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Das beste Bier der Welt aus dem 18. Jahrhundert

Auf dem Parkplatz vor dem „Markus Wasmeier Museum“ in Schliersee überkommen mich plötzlich Millionen von kleinen Kindheitserinnerungen. In meinem Kopf tauchen viele Szenen auf in denen ich mit meiner Familie durch Bauernhof-Museen wandere. Im strömenden Regen. Immer im strömenden Regen. Heimat-Museen waren eben unser Alternativ-Programm zu Bergwanderungen. Und wenn sich im Alpen-Urlaub eine Regenfront angekündigt hat, dann waren wir in uralten Bauernhöfen zu finden und schauten über Schnüre vor Türen in teilweise leere Räume. Betrachteten uralten Ruß, bröckelige Wandbemalung und wunderten uns über die niedrigen Türstöcke.

Natürlich regnet es auch, als ich zum Museumsdorf am Schliersee hinaufgehe. Einmal oben angekommen, bin ich jedoch nicht mehr nur die Zuschauerin am Absperrseil – ich bin dabei. Beim Brotbacken, beim Bierbrauen und Edelweißschnitzen. In den Häusern des Museums rührt sich was, Hausbetreuer bringen Leben zwischen die Wände aus dem 18. Jahrhundert, sie sticken, waschen und geben gerne Auskunft. „Ich will, dass sich in den Häusern etwas rührt, Geschichte soll erlebbar sein, es soll gekocht werden und rauchen und duften“, sagt Museumsgründer Markus Wasmeier. Für den ehemaligen Ski-Profi ist das Museum mehr als ein Projekt, für das er seinen Namen gegeben hat – es ist für ihn Leidenschaft, sein Hobby und die Erfüllung einiger Lebensträume. Dabei pocht Wasmeier nicht auf ein allzu starres Traditions- und Heimatbild. Ganz selbstverständlich gehen im Museumsdorf Tradition und Moderne zusammen. Responsive Webseiten und ein eigener YouTube Kanal haben den gleichen Stellenwert wie detailgetreue Ausstattung der Häuser. „Ich werde immer ganz grantig, wenn ich da Schüsseln aus Materialien rumstehen sehe, die es im 18. Jahrhundert schlicht noch nicht gab“, gibt Wasmeier zu.

Diese Liebe zum Detail ist an allen Ecken zu fühlen. Der Bäcker backt wie anno dazumal, die Kohlen entstehen noch wie im 18. Jahrhundert und auch die Gerichte im Wirtshaus „Zum Wofen“ sind durchwegs saisonal und regional. Freilich rutscht ein Saibling am besten mit hausgemachter Kräuterlimonade und eigens gebrautem Bier. „Wir wollten eine Brauerei wie aus dem 18. Jahrhundert und mit ihr das beste Bier der Welt brauen“, so lautete der schlichte Anspruch Wasmeiers. Das Gebäude der Brauerei ist ein Hof aus Feldkirchen-Westerham, dessen Geschichte bis auf die Römerzeit zurückgeht. „Wenn man da unter der Feuerstelle gegraben hat, dann kam noch eine Feuerstelle und dann noch eine.“ Die Recherche nach einer geeigneten Ausstattung führte den Sportler zu den Brauereien Frankens und schließlich auch in die Oberpfälzer Zoigl-Region. „Es war eine harte Suche, wir mussten auch viel Bier probieren bei den Brauereien – ein schlimmer Job“, sagt der Museumschef augenzwinkernd. Bei einer Zoigl-Brauerei wurde er schließlich fündig.

Dort stieß er auch auf die Piccolo, eine Etikettiermaschine der Krones AG, die 1952 auf den Markt kam. Zwar nicht ganz aus dem 18. Jahrhundert, aber doch zweckdienlich. Nach einer Generalüberholung in der Krones Lehrwerkstatt funktioniert die Piccolo perfekt. Brauer Olaf Krüger, der mit seiner Mütze und dem langen Bart nun wirklich aussieht, als wäre er aus dem 18. Jahrhundert angereist, schwärmt von der Vintage-Krones-Technik: „Sie ist komplett mechanisch, da ist keine elektrische Steuerung drin, und wenn sie auf hoher Geschwindigkeit ist, dann können wir schon mal 1000 Flaschen pro Stunde schaffen!“ Eine nette technische Abwechslung in der Schöpfbrauerei, in der es normalerweise eher gemächlich zugeht. Wenn freitags gebraut wird, dann steht Brauer Olaf mit Teilnehmern eines Braukurses stundenlang vor den riesigen hölzernen Brauwannen und schöpft Würze von A nach B und von B nach A. „Sehr meditativ, ich mach das gerne. Ich bin ja auch noch bei einer modernen Brauerei angestellt, da ist das eine schöne Abwechslung!“ Um mit dieser Brautechnik mit offenen Gefäßen wirklich das beste Bier der Welt herzustellen, mussten Brauer Olaf und sein Chef Markus Wasmeier natürlich harte Verkostungsabende im Museumswirtshaus erdulden und viel recherchieren. Das beste Bier der Welt wurde schließlich vollmundig und rund im Geschmack. „Ich habe ein altes Kellermeisterbuch von 1690, da stehen die interessantesten Rezepte drin“, erklärt Wasmeier. Wie genau die Rezepturen entstanden sind, bleibt jedoch ein Geheimnis – nur so viel sei verraten: Brauer Olaf verwendet keine Pellets, sondern Hallertauer Mittelfrüh-Dolden. „Das ist eine schöne alte Sorte, die passt zu uns!“ Die großen Holzfässer in denen das Bier dann gemütlich lagern darf, wurden im Museum vor Ort gepichelt – eine Kunst, die sonst kaum mehr jemand beherrscht.

Was wünscht sich nun ein Mann, der an der Entwicklung des besten Bieres der Welt beteiligt war, nach dem ein Bockbier (Wasinator) benannt ist und der ja immerhin zweimal olympisches Gold gewonnen hat? Die Antwort ist so schlicht wie beeindruckend: „Ein Haus, das stinkt!“ Was? „Ich tät gern a ganz a kloans Sach aufbauen, wo es wirklich so riecht wie damals. Wo es hundertprozentig so zugeht wie damals!“ Das ist natürlich nicht alles – eine Mälzerei ist auch angedacht und die Mühle lagert sogar schon auf dem Museumsgelände und wartet auf ihren Aufbau. „Ziel ist es, irgendwann alles selbst zu machen“, sagt Wasmeier. Dass dieses Ziel erreicht wird, daran mag man nicht zweifeln. Immerhin hat der Museumschef bereits vor der Gründung des Dorfes privat vier alte Häuser wieder aufgebaut. „Ich bin halt ein alter Flohmarkt-Gruscher, das wird wohl auch immer so bleiben, aber was ins Museum kommt, das prüfen wir schon gründlich!“ Beim Heimgehen denke ich mir: „Die Piccolo hat es geschafft – die darf in diesem Museum wohnen und jeden Freitag zuschauen, wie das beste Bier der Welt gebraut wird!“ Ein bisschen neidisch bin ich schon. Trotz Regen.

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