Tarzan, Jane und das grüne Gold – Abenteuer Hopfenernte
Noch 1 Woche, 2 Tage, 11 Stunden: Bald stehen die langersehnten Sommerferien auch in Bayern wieder vor der Tür. Für viele Kids heißt es dann: ab in den Urlaub – Sonne, Strand und Meer.
Bei mir war das anders, zumindest am Ende der Sommerferien: mehr Action, mehr Trubel und sehr viel mehr Abenteuer. Und das sogar ohne langen Flug oder langweilige Autofahrt: Haustür auf – und ich war da. Ganz genau, am Ende der Sommerferien war ich immer daheim, denn da hieß es dann für mich „Urlaub auf dem Bauernhof“. Da ging es bei uns immer rund, weil es Zeit für die Hopfenernte war. Die Kurzfassung: Hopfen ernten, trocknen, verpacken – und das drei bis vier Wochen lang.
Morgens um halb fünf ging es jeden Tag los und ab da hörte man das Knattern der Erntemaschine. Für uns Kids war das aber kein Problem, wir durften uns um diese Uhrzeit noch einmal umdrehen und im Bett liegen bleiben. Aber lang haben wir es dort eh nicht mehr ausgehalten, weil es ja so viel zu erleben gab. Unser Weckruf war meistens das Hupen der Bäckerin aus dem Nachbardorf, die heute noch alle „Metropolen“ in der Umgebung mit ihrem kleinen Bus abfährt und ihre Backwaren an den Mann bringt. Gestärkt mit reschen Brezen und frischen Semmeln starteten wir in das Abenteuer Hopfenernte.
Unser erster Weg führte zum „Hopfenpressen“. 1,20 m hohe Ballen werden dabei mit fertig getrocknetem Hopfen gefüllt, zugenäht und auf Europaletten gestapelt. Und da kamen wir ins Spiel: Die Hopfenballen stapeln sich schließlich nicht von allein – gerade in Anbetracht der Tatsache, dass einer davon rund 60 Kilo auf die Waage bringt. Gut, zugegebenermaßen mussten wir ein bisschen tricksen. Denn selbst nach einer Popeye-verdächtigen Portion Spinat hätten wir wahrscheinlich nicht lange durchgehalten. Da erwies sich ein kleiner Kran, direkt neben der Hopfenpresse, natürlich als äußerst nützlich. Ruckzuck konnten wir die Hopfenballen auf Europaletten stapeln und es blieb auch noch Zeit, uns an den Kran zu hängen und gegenseitig wagemutig durch die Luft zu schwenken. Da konnte Superman sowas von einpacken. 😉 In Sachen Arbeitssicherheit haben wir einfach mal beide Augen zugedrückt, aber sonst wär’ es ja auch nur halb so lustig gewesen.
Wenn wir damit fertig waren, ging es an manchen Tagen mit der Abwage der einzelnen Hopfenballen weiter. Sack für Sack wurde auf ein spezielles Abwagesystem gehievt und gleichzeitig spuckte ein Drucker selbstklebende Etiketten mit einem Strichcode aus. So konnten die Abnehmer im Nachhinein Daten wie Hopfensorte, Gewicht oder den Namen des Hopfenpflanzers einfach auslesen.
Und schon war der Vormittag so gut wie gelaufen und die Rush Hour in der Küche begann. Mit den Saisonarbeitskräften waren wir jeden Tag etwa zehn Leute, auf die mittags ein prall gefüllter Tisch wartete. Da „durften“ wir bei den Vorbereitungen natürlich gern zur Hand gehen. Wenn dann alles fertig war, aßen wir zusammen. Arbeit an der frischen Luft macht ja schließlich hungrig – und wie! Allerdings war es keine Seltenheit, dass die Mittagspause von einem roten Blinklicht im Hof unterbrochen wurde. Keine Sorge, es war nichts passiert; vielmehr machte sich hier ein kleiner praktischer Helfer bemerkbar. Denn dieses Blinklicht machte darauf aufmerksam, dass der Hopfen, der sich gerade in der Trocknung befand, jetzt einen bestimmten Feuchtigkeitsgrad erreicht hat und zügig die sogenannte Hopfendarre verlassen sollte. Also nichts wie los! Rüber zur Halle, drei Stockwerke nach oben und rein in die Hopfensauna. Von hier aus wird der Hopfen dann, über kippbare Böden eine Etage nach unten, auf die nächste Trocknungsebene gekippt, bis er dann schließlich bei der Hopfenpresse wieder rauskommt.
Nach dem kräftezehrenden Saunagang stand für uns zur Entspannung eine kleine Rundfahrt an. Es muss ja schließlich für Hopfennachschub gesorgt werden – und ohne uns ging da natürlich gar nichts. Der Traktorfahrer stand bereit, wir sprangen auf den leeren Ladewagen und schon ging die Fahrt zum Hopfengarten los. Dort angekommen, hieß es erst mal absteigen, damit der Traktorfahrer mit dem Abreißgerät die einzelnen Hopfenreben auflegen konnte. Bis er damit fertig war, sammelten wir den heruntergefallenen Hopfen ein oder „kümmerten“ uns um einzelne Reben, die hängen geblieben waren. Filmreif schwangen wir an den üppigen grünen Lianen hin und her, bis wir dann schließlich zu schwer wurden und zusammen mit der Hopfenrebe eine kleine Bruchlandung hinlegten. Wir gaben zwar eine ziemlich verkratzte Jane bzw. einen ziemlich lädierten Tarzan ab, aber wir nahmen die Kratzspuren, die der Hopfen hinterließ, gern in Kauf. Unser Traktorfahrer sammelte uns wieder ein, wir kletterten auf den vollbeladenen Wagen und wir fuhren zurück zum Hof, wo wir gemeinsam mit den Hopfenreben direkt neben der Pflückmaschine abgeladen wurden. Und schon war wieder ein großartiger Ferientag vorbei.
Nur unter der Dusche wurde es dann doch ein bisschen ungemütlich, wenn die Striemen unter dem heißen Wasser brannten. Und schließlich heißt es ja nicht umsonst:
Wen der Hopfen einmal gekratzt hat, den lässt er nicht mehr los.😉