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Pilger des schwarzen Goldes – ein steiniger Weg zum Bier.

In Scharen strömen sie den Berg hinauf, aus den verschiedensten Richtungen kommen Menschen. Sie haben Bollerwägen dabei, sind früher aufgestanden als an jedem anderen Sonntag des Jahres und frieren in den kalten Morgentemperaturen in ihren kurzen Dirndln und Lederhosen. Dass jeder Einzelne der Busse, in denen sie kommen, völlig überfüllt ist und nach der Busfahrt noch ein steiniger Fußmarsch zum Ort des Geschehens vor ihnen liegt, scheint die zahlreichen Pilger nicht zu stören. Wofür das alles? Ganz einfach: Für Bier. Aber nicht für irgendein Bier. Und nicht an irgendeinem Sonntag.

Denn am Palmsonntag ist beim Prösslbräu auf dem Adlersberg bei Regensburg Starkbieranstich. Oder kurz: „Palmator is halt!“ Und Palmator ist dabei nicht nur der Name des dunklen Fastenbocks, sondern steht außerdem für eine Jahrhunderte alte Regensburger Tradition. Eine Priorin des ehemaligen Dominikanerinnen Klosters auf dem Adlersberg war es, die verfügte, dass am Palmsonntag jeder Gast einen Palmator und jedes Kind eine Breze erhalten sollte. Diese Tradition hat sich gehalten und ist mittlerweile ein fester Termin im Regensburger Veranstaltungskalender. Schon Monate vorher fängt die Brauerei damit an, den Bock einzubrauen und verwendet dabei fünf verschiedene Malzsorten. Die liefern die typischen Röstaromen und sorgen für den hohen Stammwürzegehalt des Bieres. Mit seinen 18,8 Prozent Stammwürze zählt der Palmator zu den Doppelböcken und darf deshalb seinen Namen mit der Endung „-ator“ tragen – genau wie auch seine „Brüder“ Salvator, Animator, Triumphator und viele mehr. Apropos Name: Mit dem Ziegenbock hat das Bockbier historisch gesehen rein gar nichts zu tun. Verantwortlich für den Namen ist das niedersächsische Einbeck, der Geburtsort des Bockbieres. Ja, richtig gelesen, der Bock kommt tatsächlich ursprünglich nicht aus Bayern, sondern aus Norddeutschland. Allerdings sollte er schon bald nach Süden transportiert werden und um das Bier für lange Reisen haltbar zu machen wurde es damals mit einem sehr hohen Stammwürzegehalt gebraut. Und das Ergebnis war das schwere, alkoholreiche Bier, das wir heute als Starkbier kennen. Erst im 16. Jahrhundert kam die Bockbier-Braukunst dann vom Geburtsort Einbeck nach Bayern an den Hof der Wittelsbacher. Die importierten nicht nur das Bier, sondern holten auch gleich den Einbecker Braumeister nach Bayern. Nach und nach wurde dann aus dem „Ainpöckischen Bier“ schlicht und einfach der „Bock“. Im 20. Jahrhundert entstand dann die Wortschöpfung „Starkbier“, die heute synonym verwendet wird.

Fast pechschwarz ist das Bier in den Krügen der Palmatorgäste, mit einem cremigen, feinporigen Schaum, der nicht so schneeweiß daher kommt, wie der eines Pilses. Und vollmundig schmeckt er, der Palmator, malzig und süßlich. Den Namen Starkbier hat er mit seinen 7,4 Vol.-% wahrlich verdient, das merkt man spätestens nach ein paar Stunden auch den – vor allem jüngeren – Besuchern des Palmators an.

Starkbieranstich in der Fastenzeit ist aber beileibe kein Regensburger Phänomen. Überall im katholischen Bayern werden verschiedene Bockbiere gebraut und vorrangig in der Fastenzeit festlich angezapft – warum gerade in der enthaltsamen Fastenzeit? Weil selbst den genügsamsten Mönchen die karge Kost dieser Zeit einiges abverlangte und das nahrhafte Bockbier dabei half, über die Runden zu kommen. „Flüssiges bricht Fasten nicht“, schmeckt aber und macht aber den Hunger erträglicher. Und auch wenn wohl die wenigsten der heutigen Palmator-Gänger so asketisch leben wie die Mönche des 16. Jahrhunderts, der ein oder andere hat ja vielleicht doch Fastenvorsätze. Und da hat so ein Fasten-Starkbier im Biergarten am Adlersberg durchaus Potential, um über den unbefriedigten Schokoladen- oder Gummibärchenhunger wegzutrösten. Und auch ohne zu fasten lässt sich der Palmator genießen! Vor allem bei schönem Wetter bietet der Biergarten einen wunderbaren Blick über Regensburg und die Gelegenheit, Freunde, Altbekannte und neue Kontakte zu treffen – denn außer Bier gibt es noch etwas, woran es auf dem Adlersberg am Palmsonntag nie mangelt: Ausreichend Gäste aus der näheren und weiteren Umgebung.

Die Palmator-Pilger eben.

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