Liebe kann so pragmatisch sein
Sie mag ihn nicht nur ein bisschen. Nein, sie liebt ihn so sehr, dass sie ihm jede Menge Zeit opfert und für ihn sogar um die Welt reist. Zwei bis drei Mal in der Woche ist sie für ihn und mit ihm unterwegs, und das neben ihrem eigentlichen Beruf. Er ist aber auch nicht unattraktiv: Schlank, hochgewachsen und dieser Duft… da kann man schon ins Schwärmen kommen. Ein echter Hingucker eben.
Wer denn dieser ständige, treue Begleiter von Johanna Reith ist?
Es ist der Hopfen, in all seinen Arten, Variationen und Verarbeitungsmöglichkeiten. Ein komischer Begleiter, finden Sie? Nicht für eine Hopfenkönigin! Denn die 22-jährige ist seit August 2014 „Regentin“ der Hopfenanbauregion Hallertau und vertritt in ihrem Amt weltweit Rohstoff und Region.
Trotz aller Leidenschaft und Begeisterung ist Johanna dabei aber keine verklärte Romantikerin, die „ihren“ Hopfen idealisiert oder sich zu schwärmenden Aromenbeschreibungen hinreißen lässt. Eher im Gegenteil. Als ich sie frage, was sie denn am Hopfen so mag, kommt die Antwort schnell: „Dass er so schnell wächst. Ist gut fürs Geschäft!“ Außerdem findet Johanna es schön, dass der Hopfen das landwirtschaftliche Bild so bereichert – und es stimmt ja auch, zu all den flachen Feldern bieten die langen Stangen, an denen der Hopfen emporklettert, eine echte Abwechslung. Apropos Abwechslung, Vielfalt ist etwas, das sie generell am Rohstoff Hopfen begeistert: Nicht nur die vielen verschiedenen Sorten, sondern auch die vielen Produkte, die man darauf schaffen kann. Natürlich fällt auch ihr da als erstes Bier ein, dann folgen aber gleich Produkte wie Tee, Kosmetika, Heilmittel oder Likör.
Ihre pragmatische, wirtschaftliche Sicht hat sie wohl gemeinsam mit der Hopfen-Begeisterung aus ihrem Elternhaus und ihrer Kindheit mitgenommen – Johanna stammt aus einer der letzten Hopfenbauern-Familien Wolnzachs und ist so ein echtes Kind dieser Hopfenmetropole. Da hat sie natürlich auch früher schon immer mitgeholfen, vor allem beim Andrehen des Hopfens (also dabei, die Hopfentriebe um die Drähte der Stangen zu wickeln). Dass diese mühsame Arbeit Johanna und ihre Einstellung zum Hopfen nachhaltig beeinflusst hat, merke ich bei meiner nächsten Frage. Was denn ihre Lieblingssorte ist, möchte ich wissen – und erwarte einen Lobgesang auf ein besonders fruchtiges oder intensives Aroma. Aber auch hier sind wirtschaftliches Denken und ihre praktische Art stärker. „Auf jeden Fall der Herkules.“ Warum? „Weil der so ertragreich ist. Und sich am besten andrehen lässt. Und schöne Dolden trägt der auch noch.“
Das heißt aber nicht, dass die Aromen ihr egal sind! Johanna probiert sogar sehr gerne verschiedene Biere aus und freut sich dabei immer, wenn sie die Chance hat, etwas Besonderes zu probieren. Da kam ihr auch der Besuch auf der CBC in Portland gelegen. Zusammen mit dem Hopfenpflanzerverband war sie da aktiv auf der Messe dabei und lernte allerhand neues über die Craft Beer Bewegung. Danach blieben dann noch ein paar Tage, um einige der zahlreichen Brauereien Oregons zu besichtigen, bevor es dann wieder zurück nach Bayern ging. Den Craft Beer Trend findet sie sowieso gut, nicht nur wegen der vielen guten Biersorten. Er bekommt ja schließlich auch der Hopfenindustrie gut: Die Vielfalt wird durch neue Flavour Hops immer größer, die Züchtung neuer Sorten wird vertieft. Lachend bemerkt sie, dass es ja schließlich auch gut ist, dass für viele der neuen Sorten sehr viel Hopfen nötig ist – man merkt deutlich, wie recht ihr das ist und wie sehr es sie freut, dass man diesen Aufschwung auch bei ihr in der Region deutlich bemerkt.
Noch bis August bleibt die jetzige Regentin in ihrem Amt, dann wird das Hallertauer Dreigestirn aus Königin, Vize-Königin und Prinzessin neu gewählt. Für Johanna bleibt dann wieder mehr Zeit für ihren eigentlichen Beruf als Bürokauffrau – den Kontakt zum Hopfen wird sie aber wohl nie verlieren. Schließlich gibt es daheim genug Arbeit zu tun und noch viel Hopfen, der angedreht werden muss.