Eine kleine Ode an das Sinnbild der bayerischen Seele
Es ist Sommer in Bayern und klar, man könnte je nach Laune an einen See fahren und baden, man könnte abends Bratwürste grillen, oder sich beim Garten gießen über des zu heiße Wetter beklagen. Oder, man macht einfach etwas, was bei allen Bayern so beliebt ist, dass es fast als ein besonderer Bewusstseinszustand durchgehen könnte: Man geht in den Biergarten.
Nein, das ist kein Garten im klassischen Sinne. Also, selten. Das ist meistens ein Platz unter Kastanien, auf dem Boden liegt Kies und man sitzt an sogenannten Biergartengarnituren, das sind klappbare Tische und Stühle. Wie der Name schon sagt, in den Biergarten kommt man vorrangig wegen dem Bier. Nicht wegen dem Essen. Früher, als es noch keine hochausgetüftelten Kühlsysteme für Bier gab, da lagerten die Brauer das letzte Bier vor dem Sommer, das Märzen, in Felsenkellern ein. Die lagen oft zur Kühlung neben Flüssen. Sozusagen als Hitzeschutz von oben dienten Kastanien – Kastanien deswegen, weil sie ein breites Blätterdach bilden und ihre Wurzeln nicht besonders tief, dafür aber sehr weitverzweigt und flach verlaufen. So konnten sie die Statik des Kellers nicht stören.
Da auch die Bevölkerung anno dazumal noch keine Kühlschränke zur Verfügung hatte, ging sie zum Biertrinken direkt an die Quelle – also zum Biergarten. Dabei ging es eben vor allem um das eine: Bier trinken. Gekühltes Bier aus dem Keller. In Franken sagt man daher auch heute noch „Wir gehen auf den Keller!“. Da sich der Biergartenausflug also hauptsächlich um das Flüssige drehte, war es traditionsgemäß erlaubt, dass sich jeder sein Essen unter die Kastanien selbst mitbringen konnte.
In manchen Gegenden Bayerns ist diese Regel noch heute unumwerflich – in eher urbanen Zentren wurde sie etwas ausgedünnt. Da gibt es eigene Mitbring-Bereiche und Bedien-Bereiche und da wird dann auch kein klassisches Biergartengericht zum Bier gegessen sondern sogar mal etwas Warmes.
Viele Biergarten-Fans schwärmen, dass der Biergarten die Essenz des Wesens der Bayern ausdrückt, wie sonst kein zweiter Ort. Oktoberfest? Kommerz! Biergarten? Sinnbild für Gemütlichkeit! Wer also einmal das wirkliche Bayern kennenlernen will und dem Wesen seiner Bewohner nahe kommen will, der fährt am besten in einen kleinen Biergarten außerhalb einer großen Stadt, setzt sich unter eine Kastanie und bringt entweder selbst Essen mit , oder genießt einen kalten Wurstsalat mit Breze und dazu natürlich ein gut gekühltes Märzen. Die Füße vergräbt man am besten im kühlen Kies, nur beim gemütlichen Zurücklehnen muss man aufpassen: zwar haben die meisten Biergärten Biergartengarnituren, aber es gibt auch welche mit Bierbänken und die haben meist keine Rückenlehne.