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Deutsches Gold im Reich der Mitte

Wenn sich meine Kollegin über die neusten Trends in Sachen Trachtenmode und -schmuck informiert, fröhlich Spider Murphy Gangs Klassiker „Schickeria“ vor sich hin trällert und sich intensiv mit den unterschiedlichen Bindevorschriften der Dirndlschürze beschäftigt, dann kann es bis zur Oktoberfesteröffnung nicht mehr lange dauern. Aber wer spricht denn überhaupt von der Münchner Wiesn?

Die Rede ist von einem Bierfest, das nicht in der bayerischen Landeshauptstadt, ja nicht einmal in Bayern selbst, stattfindet: Ich meine nämlich das größte Bierfest Asiens in Qingdao im Osten Chinas. Damit wäre bestätigt, dass Bier nicht nur in Bayern Kultcharakter besitzt. Die chinesische Bierindustrie ist in den letzten Jahren regelrecht aufgeblüht. Chinesen sind vom edlen Gerstensaft durchaus angetan. Grund genug, um die Bierkultur im Land des Lächelns einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Wie praktisch, wenn die Kollegin mit chinesischen Wurzeln in der Abteilung nebenan einen hier reichlich mit Infos versorgen kann …

Die Zeiten, in denen China auf dem weltweiten Biermarkt eine Nebenrolle spielte, sind mittlerweile vorbei: Die Volksrepublik hat sich zum größten Produzenten in der Branche entwickelt. Auch wenn die asiatischen Landsleute im Vergleich zu Deutschen eher verhaltene Biertrinker sind, steigt der Konsum tendenziell an. 2015 hatten immerhin drei der zehn weltweit größten Brauereien ihren Sitz in China. Da braut sich also ordentlich etwas zusammen! 🙂

Vier von fünf Chinesen bevorzugen zwar regionale Sorten, aber deutsches Bier hat in der „Bierchronik“ Chinas schon lange großen Einfluss und mischt auch heute noch kräftig mit.

Den besten Beweis, dass deutsches Bier im fernen Asien schon immer gut ankommt liefert das Tsingtao-Bier. Deutsches Bier in China?! Um das zu verstehen, müssen wir ein bisschen in die Vergangenheit zurückreisen, genauer ins Jahr 1903. In diesem Jahr haben sich die deutschen Kolonialherren aus strategischen Gründen in der damaligen Küstenregion Kiautschou niedergelassen. Und wo Deutsche sind, kann Bier bekanntlich nicht weit sein. So gründete man die „Germania-Brauerei“ und braute dort nach deutschem Reinheitsgebot. Nach dem Triumpf der Japaner über die Deutschen bis hin zur Wiederbesiedelung des Gebietes durch die chinesische Bevölkerung braute man unter dem bis jetzt erhaltenen Namen „Tsingtao“ tüchtig weiter. Scheint ganz, als hätten die chinesischen Bürger an dem Souvenir der deutschen Kolonialherren Gefallen gefunden – zumindest mehr als an deren Anwesenheit selbst. 🙂

Im Laufe der Zeit versuchte man, das Bier auf die Vorlieben der chinesischen Bevölkerung abzustimmen. Deshalb verwenden die Brauer inzwischen beispielsweise auch Reis statt Hefe.

Heute belegt das von der gleichnamigen Brauerei an der Ostküste Chinas hergestellte Bier Platz zwei der größten chinesischen und Rang sechs der weltweit größten Brauereien. „Das dürfte wohl das am meisten verkaufte Bier meiner Landsleute sein. Auf dem Quingdaoer Bierfestival kann man neben anderen deutschen Bieren auch das Tsingtao kosten.“, weiß Senny Trieu, meine Kollegin.

Mit einem Schmunzeln im Gesicht erzählt Senny mir dann noch etwas über die teils sonderbare, sagen wir mal, unkonventionelle Form der Verpackung vom Tsingtao in Thailand. Straßenhändler verkaufen das Bier dort nämlich teilweise in Plastikbeuteln. Ich stelle mir das Ganze ziemlich unpraktisch vor und bevorzuge dann doch lieber die klassische Flasche. 🙂

Bei der jüngeren bis mittleren Generation kann vor allem das Snow Beer der China Resources Breweries punkten. Das ist auch Sennys Favorit unter den chinesischen Gerstensäften. „Das Snow Beer ist ein chinesisches Lagerbier. Süßlich, leicht und weniger stark als beispielsweise deutsche Biere kann ich mich mit diesem Bier bestens anfreunden.“, meint Senny.

Zum Schluss erklärt sie mir noch, dass chinesisches Bier im Vergleich zu deutschem Bier ihrer Meinung nach weniger herb und malzig, insgesamt also milder schmeckt. Manche würden es möglicherweise als „weniger bierig“ bzw. „wässriger“ bezeichnen. Senny zumindest scheint das aber ganz und gar nicht zu stören.

 

Dann könnte man sich ja theoretisch die ein oder andere Maß mehr genehmigen oder? Vielleicht sogar im Sommer auf dem Bierfest in Qingdao … 🙂

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