English | Deutsch

Das beste aus allen Bierwelten – Ein Besuch auf der Braukunst Live!

Ich fühle mich wie in einem riesigen Wohnzimmer mit entspannten Menschen, die alle die gleiche Begeisterung teilen: Bier. Craft Bier. Aus der Besucherperspektive ist die Braukunst Live! eher Markt als Messe. Gemütlich schlendern die Bier-Nerds mit ihren Verkostungsgläsern durch die Gänge lassen verschiedenste Aromen auf sich wirken. Alle schnuppern und verkosten sich durch ein schier endloses Angebot aus kreativen Bieren – 95 Aussteller präsentieren Bierkreationen – vom mehrfach prämierten Weißbier bis hin zum Neapolitan Milk Stout das einen Hauch von Eiscreme auf den Gaumen zaubert. So unterschiedlich wie die Biersorten sind auch die Besucher – Schottische Rocker mit Riesentatoos stehen neben Bayerischen Brauern in der Krachledernen, Hipster wischen sich den Schaum genauso aus dem Bart, wie Schnurrbartträger im Lodenanzug.

Der Andrang an den Ständen ist gelinde gesagt riesig, und ich muss es ausnutzen, einmal so viele internationale Biere greifbar zu haben. Ich mache mir einen Plan und klappere, mit einer Tüte Bezahlchips bewaffnet, zunächst die europäischen Ausstellern, wie die polnische Brauerei Gzub und die Doppelleu Brauwerkstatt aus der Schweiz ab.

Dann probiere ich mich durch die amerikanischen Brews, wie Smuttynose und Saugatuck. Ein hervorragendes IPA nach dem anderen: Harte Arbeit für die Geschmacksnerven. Wer kurzzeitig überfordert ist, der kann an einer der vielen Wasserstationen Rast machen, und einen Rest Bier in eigens aufgestellte „Restebehälter“ entsorgen. Während Gaumen und Geruchssinn kurz rasten, lasse ich meinen Blick schweifen. Alles was ich im ersten Moment sehe, ist eine Vielzahl von Karohemden, die inoffizielle Craft-Beer-Fan-Kluft, doch dann schärft sich mein Auge auf den Inhalt der Verkostungsgläser – Bier in Karamell-, Gold-, und Brauntöne aller Schattierungen schimmert im Abendlicht vor sich hin. Dazwischen stechen aber auch das fast pinke Lupulus Fructus von Les 3 Fourquets und das knallblaue „Babo Blue“ hervor. Das blaue Biermischgetränk hatte seinen Ursprung in einem Projekt der Technischen Universität München und erstaunte den Markt mit sattem Heidelbeeraroma und dieser besonderen Farbe.

Genug versonnen herumgeblickt – ich muss weiter. Mich zieht es zu den Gründern, den Start Ups, den ehemaligen Home Brewers, wie Camba Bavaria, Crew Republic und Buddelship. Ihre Porters, IPAs und kreativen Sorten müssen sich nicht verstecken. Genauso wenig wie die Macher dahinter. Echte „Typen“ wie Oliver Wesseloh (Kehrwieder Kreativbrauerei) und Florian Kuplent (Urban Chestnut) haben sich wie Einige der Vorreiter der deutschen kreativen Bierszene selbst das Beste aus allen Bierwelten zusammengesucht. Prägende Erfahrungen in der blühenden Craft-Beer-Szene der USA inspirierten sie eigene Brauereien zu gründen. Nein, eine Brauerei zu gründen ist eben keine Schnapsidee mehr, wie man im ersten Moment meinen mag. Kuplent zum Beispiel ist in Mühldorf am Inn aufgewachsen und hat in Weihenstephan Brauwesen studiert. Später ging er nach St. Louis – dort braut er inzwischen 50 000 Hektoliter in seiner kleinen Brauerei mit Wirtschaft. Nun hat er den Bürgerbräu in Wolnzach gekauft und will ab Mai anfangen dort zu brauen. „Es wird eine eigenständig geführte Aussenstelle unserer Brauerei werden!“, erklärt er mir.

Schauen wir uns mal die deutsche Szene etwas weiter an. Viele alteingesessene Brauereien aller Ausschussgrößen folgen dem Impuls aus den Vereinigten Staaten und nehmen selbst ein oder mehrere Craft Beer Sorten ins Sortiment, wie Schneider Weisse, die Spital Brauerei, Eichhofener, aber auch Köstritzer und HB. Bei Ayinger hingegen ist man überzeugt: „wir führen unsere bewährten Sorten und versuchen einfach mit jedem Sud handwerklich das Beste zu geben. Auch dieser Ansatz funktioniert, das zeigen drei European Beer Stars 2014“, erfahre ich.

Kurz bevor bei mir die totale Erschöpfung einsetzt, ist es soweit: ich bin im siebten Weißbierhimmel angelangt. „Comet und Weißbier: I love you“, poste ich sofort auf Instagram. Ich bin am Stand von Joh. Barth & Sohn, dem Hopfenlieferant. Hier hopft Dr. Akis Trouboukis ein klassisches Helles und ein Hefeweizen nachträglich mit fünf verschiedenen Hopfensorten kalt. Weizen mit Relax, Helles mit Comet, Helles mit Monroe,… Jede Kombination ergibt ein ganz eigenes Bild an Aromen, ich bin verblüfft. Schon wieder.

Es fasziniert mich seit Jahren, welchen Einfluss die Wahl der Hopfensorte und auch die Kalthopfung auf ein Bier haben. Es tut so gut, zu sehen und zu fühlen, mit dieser Faszination nicht alleine zu sein. Die Menschentrauben vor den Ständen beweisen es: Die Bewegung für gutes Bier lebt. Bier ist wieder wer. Alle wollen da hin, wo das Bier ist. Und ich hoffe, dass wir erst am Anfang dieser kreativen Bierbewegung stehen.

 

Share on Pinterest
Kommentieren

Alle mit (*) markierten Felder sind Pflichtfelder und müssen ausgefüllt werden.