Brauerei nach Open-Source-Prinzip
Schon mal von Open Source gehört? Dieser Begriff fällt meist in Zusammenhang mit Software – und zwar dann, wenn der Quelltext offengelegt wird, sodass dieser von anderen verwendet, eingesehen und auch weiterentwickelt werden kann. Klingt nach einer guten Sache, aber ihr werdet euch vermutlich spätestens jetzt fragen, was dieser Infoblock eigentlich auf einem Craft Beer Blog zu suchen hat.
Nun, dafür darf ich euch zunächst zwei alte Bekannte vorstellen. Könnt ihr euch erinnern? Vor knapp drei Jahren durften wir bereits die Hobbybrauer interviewen, die sich in ihrem ‚Waschraum‘ zum Vizemeister bei der deutschen Meisterschaft der Hobbybrauer hochgebraut hatten. In der Waschraumbrauerei, einer ehemaligen Tierfuttermittelfabrik in Regensburg, experimentieren Sven Wagner und Michael Eberhard nach wie vor gerne mit verschiedensten Suden. Aktuell kommt der Waschraum bei den beiden leider aber ein bisschen zu kurz – denn die ehemaligen Kollegen haben gemeinsam gegründet: und zwar freibier.cc, eine Brauerei mit Open-Source-Konzept.
Sven und Michael, wir durften euch ja hier auf dem Blog schon kennenlernen – hättet ihr aber trotzdem Lust, euch nochmal kurz vorzustellen?
Sven Wagner (SW): Hallo, mein Name ist Sven Wagner, ich war lange Zeit im Krones Umfeld als Inbetriebnehmer für Brauereien und Sirupräume unterwegs, zuletzt bei der Syskron. Mittlerweile bin ich Freiberufler. Nebenbei haben Michael und ich freibier.cc gegründet und brauen unter diesem Namen Bier.
Michael Eberhard (ME): Ich heiße Michael Eberhard, bin seit fast 14 Jahren Teil der Krones Familie. Nach Stationen bei der Krones AG und zuletzt der Syskron GmbH bin ich seit diesem Jahr bei der Triacos GmbH mit für den Vertrieb der SAP-Digitalisierungslösungen zuständig. Sven und ich kennen uns schon aus dem Studium in Weihenstephan, haben um 2009 rum im Rahmen eines Krones Projektes bereits viel Zeit in Südafrika verbracht und haben mehr oder weniger durch Zufall während unserer gemeinsamen Zeit bei der Syskron seit Ende 2016 unsere Hobbybrauerei, den Waschraum, auf- und ausgebaut.
Ich erinnere mich, dass der Waschraum für euch immer ein Ort des Hobbybrauens war. Ist aus dem Hobby nun mehr geworden?
SW: Wir trennen immer noch das Hobby von der Arbeit, auch wenn wir über das Hobby zum Gründen der kommerziellen Brauerei kamen. Aber man kann schon sagen, dass das Hobby, und das viele Feedback unserer Freunde, die das Bier getrunken haben, zur Gründung von freibier.cc geführt hat.
Wie kam es zur Gründung der Brauerei?
SW: Wir hatten schon länger den Gedanken, Bier auch zum Verkauf herzustellen. Uns war aber klar, dass die Waschraumbrauerei immer unser Hobby bleibt. Wir haben eine Regel im Waschraum, es wird nie auch nur ein Liter des dort gebrauten Bieres verkauft. Wir haben schon oft mit Freunden für Geburtstage, Hochzeiten, etc. Biere gebraut, aber dafür floss nie Geld. Unser Hobby soll Hobby bleiben, ohne dass wir betriebswirtschaftlich denken müssen. Es war also klar, dass wir in einem anderen Rahmen arbeiten müssen. Uns fehlte aber die Idee, wie diese Brauerei heißen soll. Dann wollte letztes Jahr unser Freund Tobi eine Entwicklerkonferenz zu einem Linux-Betriebssystem in Regensburg veranstalten. Tobi hatte auch zuvor schon mit uns gebraut, und fragte, ob wir denn im Waschraum nicht ein Bier für diese Konferenz brauen könnten. Wir sagten spontan zu, ein paar Tage später kam er dann mit dem letztlich entscheidenden Gedanken um die Ecke: dass das Rezept des Bieres unter einer freien Lizenz stehen müsste, um den Spirit der Konferenz zu treffen. Und genau in diesem Moment war die Idee zu freibier.cc geboren. Eigentlich hätten wir also auf dieser Konferenz unser Bier vorgestellt, aber das Jahr 2020 hatte leider andere Ideen und die Veranstaltung musste leider ausfallen.
Das Prinzip der Biere unter freier Lizenz habt ihr euch dann ja beibehalten. Auf eurer Website veröffentlicht ihr nun regelmäßig die Rezepte zu euren Suden, richtig?
SW: Genau. Begonnen hat alles wie gesagt mit der Idee, Bier für eine Linux-Konferenz unter einer freien Lizenz zu brauen. Da ich selbst seit über 20 Jahren Nutzer von Linux und freier Software bin, bin ich von dem Open-Source-Gedanken überzeugt. Auch in der Hobbybrauerszene ist der Umgang sehr offen, und niemand hält mit seinen Ideen hinterm Berg. Auf Hobbybrauerveranstaltungen werden Rezepte ausgetauscht und jeder gibt dem anderen Tipps oder hilft bei Problemen. Da wir auch zum Zweck der Chargenverfolgung unsere Sude mitprotokollieren, stellt das Veröffentlichen keinen großen Mehraufwand dar.
Was steckt hinter dem Namen freibier.cc?
SW: Von Richard Stallmann – quasi dem Urvater von frei nutzbarer Software – gibt es in Bezug auf freie Software den Spruch, man solle an frei wie in Redefreiheit denken, nicht wie in Freibier. Unser Bier soll ja auch nicht kostenlos sein, aber jeder soll die Freiheit haben, unsere Biere nachzubrauen – ja auch zu verbessern. Das CC am Ende wird in der Open-Source-Community gerne mit den Creative-Commons-Lizenzen assoziiert: ein Lizenzsystem, dass den Nutzern viele Rechte einräumt. Da in Deutschland Rezepte nicht lizenziert werden können, bleiben uns nur die Möglichkeiten, sie entweder gar nicht zu veröffentlichen, oder sie komplett in die Public Domain zu entlassen. So stehen unsere Rezepte jetzt unter der sogenannten CC-0 Lizenz, die keinerlei Rechte bei uns belässt. Gleichzeitig interpretieren wir das „frei“ in unserem Namen so, dass wir auch frei in der Rezeptfindung sind. So brauen wir Biere nach dem Reinheitsgebot, aber auch alkoholische Malzgetränke mit abweichenden Inhaltsstoffen. Dies alles zusammen verbinden wir mit dem Namen freibier.cc.
Was ist auf eurer Website außer Rezepten noch zu finden?
SW: Neben den Rezepten zu unseren Bieren veröffentlichen wir auch Artikel zu unserer Betriebsweise, Vorschläge dazu was man denn so zu unseren Bieren kochen kann – und natürlich Neuigkeiten rund um uns und unsere Biere.
ME: Bei uns stehen die Produkte definitiv im Vordergrund. Wir möchten spannende, qualitativ hochwertige Biere (oder eben auch „alkoholhaltige Malzgetränke/Lebensmittel eigener Art“) herstellen. Der Anspruch an unsere Homepage ist, dass unsere Kunden die nötigen Informationen finden. Und das möglichst barrierefrei und einfach. Daneben gibt es noch unseren Blog, in dem wir, wie Sven schon gesagt hat, über Dinge schreiben, die wir ergänzend noch für interessant halten. Als letztes gibt es noch einen derzeit sehr minimalistischen „Shop“, der sich zur Zeit darauf beschränkt, dass wir den Kunden anbieten, gegen Vorkasse das Bier zu verschicken. Ach ja, und wir haben noch eine kleine Sektion „Wer wir sind“. Aber wie bereits gesagt, wichtiger als ein fulminanter Web-Auftritt sind uns unsere Biere und unsere Kunden.
So eine Website beziehungsweise ein Blog und vor allem das Veröffentlichen eurer Rezepte lädt ja immer auch zum Austausch bei. Ist euch der Austausch in der Community wichtig?
SW: Ja, Austausch ist wichtig. Wir schätzen auch kritisches Feedback, wenn jemand etwas an unseren Bieren nicht gefällt. Gerade mit anderen Brauern, aber auch mit Biertrinkern – denen muss es ja zum Schluss schmecken.
Wie sieht es denn mit den Erfahrungen bezüglich eurer heimischen Craft-Beer-Szene in Regensburg aus?
SW: In Regensburg ist durch Krones die Hausbrauerdichte sehr hoch. Vor allem gibt es hier auch sehr viele Hobbybrauer, die eine Lehre oder ein Studium zum Thema haben. Intern bei Krones gibt es ja auch eine Hausbrauergruppe. Hier werden Erfahrungen getauscht und auch gerne mal Rohstoffe weitergegeben, wenn jemand mal eine tolle Hefe hat, oder einen seltenen Hopfen. Man besucht sich gerne mal zum gemeinsamen Biersieden und verkostet auch die Ergebnisse gerne gemeinsam. Letztes Jahr war dies leider so nicht möglich, und wir hoffen, dass der Austausch bald wieder normal stattfinden kann.
ME: Und auch abseits der „Hobbyisten mit beruflicher Vorbelastung“ gibt es auch in Regensburg eine tolle Hobbybrauer-Szene. Es ist beeindruckend, mit wieviel Energie und Liebe zum Detail die Hausbrauer zum Teil ihre Anlagen aufbauen und ständig weiterentwickeln und mit welcher Neugier in den Hobbybrauer-Kreisen neue Rohstoffe und neue (oder auch alte) Verfahren ausprobiert werden.
Welche weiteren Ziele habt ihr noch mit freibier.cc?
SW: Wir würden gerne die Rückverfolgbarkeit unserer Biere noch weiter ausbauen. Im Moment haben wir auch noch keine Kommentarfunktion und die Homepage ist ein relativ einseitiges Kommunikationsmedium. Wir bekommen aber immerhin schon Rückmeldungen zu den Blogartikeln per Mail, die dann in weitere Artikel einfließen. Wir erreichen damit schon einen Teil unserer Zielgruppe und verkaufen auch schon Bier darüber. Generell sollen die Homepage und das Blog der zentrale Anlaufpunkt für unsere Kunden sein.
ME: Der Traum wäre in der Tat, eine volle Transparenz hinzubekommen. Aber da ist noch viel zu tun. Generell sind wir mit wenig Erwartungen gestartet. Unser Ziel war immer klein, ohne großen Business Plan loszulegen, flexibel und mit minimalem Invest. Eigentlich wollten wir schon Anfang des Jahres starten, dann kam Corona. Nun haben wir durch einen kleinen externen Impuls den Start mit den beiden Sorten „Alfons Crowley Ingwer Ale“ und dem „Porter Praetoria“ zum Jahresende 2020 gemacht. Wir sind positiv überrascht, wie gut das Bier im Markt aufgenommen wurde, allerdings sind nicht nur für uns die Monate Januar und Februar schwierig. Derzeit planen wir schon die nächsten Sude. Nach aktueller Planung wird es eine weitere Sorte geben. Ein Traum ist und bleibt natürlich die eigene Brauerei, aber derzeit werden wir erstmal weiter bei Freunden brauen…
Und zum Abschluss würde ich gerne noch wissen: Wie viele Sude habt ihr denn mittlerweile schon gebraut und welche sind eure Liebsten? 😊
SW: Es dürften mittlerweile so um die 40 Sude gewesen sein. Mein liebstes ist unser Alfons Crowley Ingwer Ale, welches wir jetzt auch verkaufen.
ME: Ja, es sind je nach Jahr so ca. 10-14 Sude pro Jahr. Dieses Jahr waren es deutlich weniger. Von den ca. 40 Suden war der Alfons übrigens das einzige Bier, was wir in annähernd gleicher Rezeptur (streng genommen waren bisher auch vom Alfons Crowley alle Sude Unikate) mehrmals gebraut haben.
Vielen Dank euch, dass ihr euch die Zeit genommen habt! Ich finde das, hört sich nach einem sehr innovativen Konzept an und wünsche euch viel Erfolg bei den weiteren Schritten von freibier.cc. Wenn sich bei euch übrigens jetzt der Bierdurst meldet, dann könnt ihr euch bei freibier.cc umschauen und bestellen . Als Regensburger könnt ihr außerdem beim Edeka Mehringer in Nittendorf oder bei der Bierothek in der Altstadt vorbeischauen. Die Bierothek ist übrigens auch recht neu in Regensburg – und wenn wir hier schon so offen sind: Möglicherweise erfahrt ihr hier auf dem Blog bald mehr über das (relativ) neue Craft-Beer-Paradies in Regensburg. In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal!