Von Gerstensaft und Gastlichkeit: Teil I
Als Studentenstadt trumpft Regensburg mit einer überdurchschnittlich hohen Kneipendichte auf. Jeder, der dort schon einmal studiert hat oder das Studentenleben gerade in vollen Zügen genießt, wird mir in diesem Punkt wohl nicht widersprechen… Aber Moment! Das mit dem Bier hat hier in Regensburg schon geklappt, da war weder der Grundstein der Uni noch der vieler heutiger Regensburger Kneipen überhaupt gelegt…
Die Geschichte des Bieres geht viel weiter zurück. Und ich starte heute eine Zeitreise in die Regensburger Bier- und Wirtshausvergangenheit. Alleine muss ich diese „bierige“ Entdeckungstour nicht machen. Mit dabei sind ca. 20 Gleichgesinnte, die wie ich mehr über das historische Wirtshaustreiben hier in Regensburg erfahren wollen. Einen Experten haben wir auch noch an der Hand: Martin Reich, der als Stadtführer bei der Stadtmaus tätig ist und unsere heutige Reise in vergangene Zeiten anführt.
Startpunkt der Führung ist die historische Wurstkuchl am Donauufer. Martin informiert uns vorneweg gleich über ein paar allgemeine Fakten: „Bier hat eine lange Geschichte. Vor 5500 Jahren haben die Sumerer mit dem Brauen begonnen, gefolgt von den Babyloniern, den Ägyptern und den Griechen. Von den Germanen wissen wir in dieser Hinsicht nicht ganz so viel, weil deren Schriftkultur einfach wenig ausgeprägt war. Auch die Römer haben gebraut, nahmen dann aber doch eher mit dem Wein Vorlieb. Bier galt für sie als bäuerlich und barbarisch.“ Diese Anfänge waren aber noch meilenweit vom Bier, so wie wir es heute kennen, entfernt. Ein Stück Brot mit Wasser, das Ganze ein paar Tage eingeweicht… Und heraus kommt ein getreidevergorenes Getränk, das wirklich wenig mit dem flüssigen Gold von heute zu tun hat.
Dennoch muss Bier es den Menschen irgendwie angetan haben, denn der edle Gerstensaft genoss sowohl in der Antike als auch im Mittelalter einen durchaus hohen Stellenwert.
Im Mittelalter waren es vor allem die Klosterbrüder, die die Entwicklung des Bieres vorangetrieben haben. Warum genau Mönche? Ganz klar: Daran ist die Fastenzeit „schuld“. Während dieser Zeit lebten die Geistlichen essenstechnisch sehr minimalistisch. Was das Trinken anging, praktizierte man hingegen einen nicht ganz so sparsamen Lebensstil. Und da Bier zu dieser Zeit eine eher breiige Konsistenz hatte, bot es sich ja geradezu an, sich seine notwendigen Nährstoffe damit zu holen. Irgendwie muss man sich und seinen Körper ja einigermaßen versorgen, oder? 🙂
Dass Bierbrauen und –trinken mit der Zeit nicht mehr nur hinter Klostermauern stattfand, sondern sich allmählich auch außerhalb durchsetzte, hatte vor allem einen Grund: Die Verbesserung der Wirtschaftslage im 11. und den Zuzug von Reisenden im 20. Jahrhundert. Damit wurden in Handelsstädten wie Regensburg Gastwirtschaften durchaus rentabel. In der heutigen Thundorfer Straße, eine der wichtigsten Verkehrsstraßen der Regensburger Innenstadt, hatten zwei bekannte Gasthäuser ihre Heimat: Das „Braulokal zu Sonne“ sowie das „Gasthaus zur Steinernen Bruck“. Letzteres war quasi fast durchgehend geöffnet. Einzig von zwei Uhr nachts bis vier Uhr morgens stand der Zapfhahn still. Da verwundert es nicht, dass das „Gasthaus zur Steinernen Bruck“ den größten Bierausstoß der Stadt verbuchen konnte.
Im Mittelalter kannte man in Regensburg übrigens drei Arten von Gaststätten: Den Gassenwirt, der den Überschuss seines eigenen Bieres an seine Nachbarn und Passanten weiterverkauft. Eine Stufe höher stand der Zapfwirt, der Bier auch zukaufen durfte; und in der Hierarchie ganz oben fand sich schließlich der Gastwirt. „Gastwirtschaft“ durfte sich zum Beispiel auch das „Gasthaus zur blauen Lilie“ nennen, dessen Aushänger man noch heute in einer der kleinsten Gassen Regensburgs findet.
„So ein Wirtshausschild war durchaus aufwendig und auffallend gestaltet. Immerhin müssen sich die Besucher auch nach einem süffigen Besuch wieder an den Ort der Bierseligkeit zurückerinnern.“, erklärt Martin Reich.
Mit unserem nächsten Halt am Rathausplatz aber kann „die blaue Lilie“ trotz Wirtshausschild in Sachen Popularität nicht ganz mithalten. Wir stehen vor dem Regensburger Hofbräuhaus. In Hofbräuhäusern wurde in ganz Bayern gebraut, vorzugsweise braunes Gerstenbier. Aber woher kommt der Name „Hofbräuhaus“ eigentlich? Darüber weiß Martin Bescheid: „Der Titel selbst sagt eigentlich schon ziemlich viel aus. In Hofbräuhäusern braute man Bier für den bayerischen Herzogshof. Doch nicht nur Gerstenbier wurde hierfür gebraut, auch das feine Weizenbier stand ganz oben auf der Liste. Ganz nach dem Motto: ‚Weizen für’n Herr, der Rest für’s Gscherr.’ Das Weizenbier galt dort als echte Besonderheit, denn das Brauen von Weizenbier, war ausschließlich dem Herzog selbst gestattet.“ Freilich stand der Herzog selbst nicht am Braukessel. Aber er besaß zwischen 1607 und 1792 schließlich das Privileg zum Brauen von Weizenbier in Bayern. Das berechtigte ihn dazu, eigene Brauhäuser für die Weißbierproduktion einzurichten.
Wo sich der Herzog sonst noch so rumgetrieben hat und welche zwielichtigen Gestalten ihm dabei über den Weg gelaufen sind, das erzählt die Fortsetzung…