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A Trumm vom Paradies

Volksfeste gibt es in Bayern ja in Hülle und Fülle. Kleine, große, alte und neue. Und jeder Bayer hat seinen ganz eigenen Favoriten. Mein persönlicher Volksfestliebling ist ohne wenn und aber das Straubinger Gäubodenvolksfest. Ok, zugegebenermaßen ist das auch das Nächstgelegene an meinem Heimatort. Aber das „Gäubodenfest“ begeistert mich noch aus vielen weiteren Gründen. Sie alle tragen dazu bei, eine ganz besondere Atmosphäre von Heimatgefühl, Tradition und doch Weltoffenheit zu schaffen. Bevor ihr jetzt weiterlest, muss ich hier eine kurze Warnung aussprechen: Es besteht die Gefahr, dass ihr nach diesem Blogartikel das dringende Bedürfnis verspürt, dem Gäubodenvolksfest höchstpersönlich einen Besuch abzustatten. Falls ihr dieses Risiko eingehen wollt, geht’s jetzt los:

Zwar kleiner als das Münchner Oktoberfest, aber dafür günstiger, mit mehr Einheimischen und weniger Touristen, ist das Straubinger Volksfest genau die richtige Mischung aus umfangreich und urig. Für diejenigen, die sich denken „Strau-was? Noch nie gehört!“: Straubing ist eine Stadt in Niederbayern und liegt in der flachen, nährreichen Donauebene, dem Gäuboden.

Als Stadt hat es Straubing nicht leicht, liegt es doch genau zwischen UNESCO Weltkulturerbe Regensburg und der Dreiflüssestadt Passau, die deutlich mehr Touristen anziehen. Zwischen diesen Perlen geht das leicht verschlafene Straubing leider allzu oft unter. Doch während der elf Festtage im August, blüht die Gäubodenstadt auf. Es herrscht Ausnahmezustand. Nicht umsonst spricht man in Straubing und Umgebung von der „fünften Jahreszeit“.

Während dieser Zeit verwandelt sich der ganzjährige Großparkplatz „am Hagen“ in eine bunte Oase für Liebhaber von Bier, bayerischen Spezialitäten und Blasmusik. Fans von Achterbahnen, Karussells, Los- und Schießbuden kommen selbstverständlich ebenfalls auf ihre Kosten. Aus allen Ecken Deutschlands und der Welt finden die Straubinger während dieser Zeit ihren Weg zurück in die Heimat. Man kann sich sicher sein, dass man Freunde aus Schulzeiten wiedersieht und Leute, die man sonst das ganze Jahr nicht trifft. Natürlich zählen nicht nur Einheimische, sondern auch Gäste aus Deutschland und aller Welt zu den Besuchern. Die perfekte Gelegenheit alte Freundschaften zu pflegen und neue zu knüpfen – ein mehr oder weniger hoher Alkoholpegel (machen wir uns nichts vor) sorgt für die nötige Offenheit!

In den insgesamt sieben Bierzelten werden die Festbierspezialitäten von vier regionalen Brauereien ausgeschenkt – in 1 Liter Maßkrügen versteht sich. Von Festbieren ist immer dann die Rede, wenn zu großen Festen ein spezielles Bier gebraut wird. Diese haben meistens einen etwas höheren Alkoholgehalt, schließlich will man beim Fest ja keine Trauerstimmung! Doch Vorsicht ist geboten, denn zu hoch sollte der Alkoholgehalt natürlich auch nicht sein, der gemeine Festwirt will seine Gäste ja auch nicht mit nur einer Maß (Massssss, auf keinen Fall Maaaaß!!!) ausknocken. So schwankt der Alkoholgehalt circa zwischen 5 – 6 Vol. %.

Das Bild soll lediglich die beschriebene Atmosphäre verdeutlichen und dient nicht zu Werbezwecken. 😉

Diese 6 Vol. % Alkoholgehalt bilden schon mal eine gute Grundlage für einen gelungenen Abend. Nur Abend? Denkt ihr jetzt vielleicht, aber ich kann euch beruhigen! Die Zelte öffnen ihre Tore schon ab 11 Uhr Früh. Zu traditioneller Blasmusik ist das Volksfest auch zum Mittagessen ein beliebter Treffpunkt. Die eigentliche Party steigt aber abends. Ab circa 17.00 Uhr füllen sich die Zelte langsam. Die reservierten Tische müssen bis 18.00 Uhr eingenommen werden, die Partyband betritt ab 19.00 Uhr die Bühne. Und so strömen Jung und Alt gut gelaunt und in freudiger Erwartung auf einen spaßigen Abend ins Zelt. Die Mädels herausgeputzt in ihren bunten Dirndln, mit Flechtfrisur und nicht selten Blumenkranz im Haar, die Burschen in knielangen Lederhosen, Trachtenhemd und feschen Wadlstrümpf’– bevorzugt in traditionellem Dunkelgrün, sattem Rot oder kräftigem Blau.

Ein Duft von gebratenem Hendl, Bier und Schweiß liegt in der Luft. Während es am Anfang noch gemütlich zugeht, so steigt mit fortgeschrittener Stunde auch die Stimmung. Das Bier fließt in Strömen, die regelmäßigen Prosit-Aufrufe der Band tun ihr Übriges. Das Geräusch von aufeinandertreffendem Glas und „Prost“-Ausrufe sind allgegenwärtig. Nicht zu vergessen ist der direkte Blickkontakt zum Anstoßpartner – so verlangt es ein ungeschriebenes Bierzeltgesetz!

Immer mehr Gäste hält es nicht länger auf den Sitzen. Sie klettern auf die Bänke, singen lauthals „Siieeeerra, siiieeerra Madre del Sur“ und liegen sich gegenseitig in den Armen. Ob Fremde oder alte Freunde spielt hier keine Rolle. Selbst, wenn man sich am Beginn des Abends noch gar nicht kannte, hat man am Ende das Gefühl, dass die Tischnachbarn seine engsten Freunde sind. „A Trumm vom Paradies“ halt!

Um circa 23.45 Uhr, wenn Schankschluss ist und die Band den absoluten Klassiker unter den Rausschmeißerliedern, Robbie Williams’ „Angels“ spielt, neigt sich der Abend langsam dem Ende zu. Diejenigen, die mit Zug oder Bus noch eine kleine Reise in die Dörfer der Region vor sich haben, beeilen sich aus dem Zelt und zu den Haltestellen zu kommen, der Rest verlässt das Zelt gemütlich und feiert an den diversen Bars auf dem Festgelände weiter. Kleine Grüppchen, die noch gar nicht wahrhaben wollen, dass ein wunderschöner Abend zu Ende geht, halten sich hartnäckig im Zelt, bis sie sanft aber bestimmt von den Bedienungen ins Freie bugsiert werden. Aber keine Sorge: das Straubinger Nachtleben rund um den altehrwürdigen Stadtturm fängt auch jene Besucher, die das Heimgehen noch etwas hinauszögern möchten, in seinen Kneipen und Bars auf.

Wenn man dann nach der hartnäckigen Suche nach einem Taxi oder einer Mitfahrgelegenheit endlich daheim im Bett liegt, brummt im Kopf immer noch die typische Geräuschkulisse des Bierzelts und man fühlt sich etwas schwindelig, obwohl man die diversen Fahrgeschäfte doch gar nicht genutzt hat. Im Versuch die Erlebnisse des Abends zu verarbeiten, schläft man schließlich erschöpft, aber glücklich ein. Die echten Volksfestbrezen in dem Wissen, dass sich am folgenden Nachmittag mit Sicherheit der Gedanke einschleicht: „Ach, ein Radler würde eigentlich schon wieder gehen…“

Für alle, die jetzt tatsächlich Lust bekommen haben, selbst zum Gäubodenvolksfest zu fahren: Dieses Jahr findet das Volksfest vom Freitag, den 10. August bis Montag, den 20. August 2018 statt. Alle wichtigen Infos bekommt ihr hier.

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